der Vater, der manchmal einen solchen Aus¬ ruf bemerkte, und bey sich selbst das gute Gedächtniß seines Knabens prieß, der von so wenigem Zuhören so mancherley habe behal¬ ten können.
Hierdurch ward ich immer verwegener, und rezitirte eines Abends das Stück zum grö߬ ten Theile vor meiner Mutter, indem ich mir einige Wachsklümpchen zu Schauspielern bereitete. Sie merkte auf, drang in mich, und ich gestand.
Glücklicher Weise fiel diese Entdeckung in die Zeit, da der Lieutenant selbst den Wunsch geäussert hatte, mich in diese Geheimnisse einweihen zu dürfen. Meine Mutter gab ihm sogleich Nachricht von dem unerwarte¬ ten Talente ihres Sohnes, und er wußte nun einzuleiten, daß man ihm ein Paar Zimmer im obersten Stocke, die gewöhnlich leer standen, überließ, in deren einem wieder
der Vater, der manchmal einen ſolchen Aus¬ ruf bemerkte, und bey ſich ſelbſt das gute Gedächtniß ſeines Knabens prieß, der von ſo wenigem Zuhören ſo mancherley habe behal¬ ten können.
Hierdurch ward ich immer verwegener, und rezitirte eines Abends das Stück zum grö߬ ten Theile vor meiner Mutter, indem ich mir einige Wachsklümpchen zu Schauſpielern bereitete. Sie merkte auf, drang in mich, und ich geſtand.
Glücklicher Weiſe fiel dieſe Entdeckung in die Zeit, da der Lieutenant ſelbſt den Wunſch geäuſſert hatte, mich in dieſe Geheimniſſe einweihen zu dürfen. Meine Mutter gab ihm ſogleich Nachricht von dem unerwarte¬ ten Talente ihres Sohnes, und er wußte nun einzuleiten, daß man ihm ein Paar Zimmer im oberſten Stocke, die gewöhnlich leer ſtanden, überließ, in deren einem wieder
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0046"n="38"/>
der Vater, der manchmal einen ſolchen Aus¬<lb/>
ruf bemerkte, und bey ſich ſelbſt das gute<lb/>
Gedächtniß ſeines Knabens prieß, der von ſo<lb/>
wenigem Zuhören ſo mancherley habe behal¬<lb/>
ten können.</p><lb/><p>Hierdurch ward ich immer verwegener, und<lb/>
rezitirte eines Abends das Stück zum grö߬<lb/>
ten Theile vor meiner Mutter, indem ich<lb/>
mir einige Wachsklümpchen zu Schauſpielern<lb/>
bereitete. Sie merkte auf, drang in mich,<lb/>
und ich geſtand.</p><lb/><p>Glücklicher Weiſe fiel dieſe Entdeckung in<lb/>
die Zeit, da der Lieutenant ſelbſt den Wunſch<lb/>
geäuſſert hatte, mich in dieſe Geheimniſſe<lb/>
einweihen zu dürfen. Meine Mutter gab<lb/>
ihm ſogleich Nachricht von dem unerwarte¬<lb/>
ten Talente ihres Sohnes, und er wußte<lb/>
nun einzuleiten, daß man ihm ein Paar<lb/>
Zimmer im oberſten Stocke, die gewöhnlich<lb/>
leer ſtanden, überließ, in deren einem wieder<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[38/0046]
der Vater, der manchmal einen ſolchen Aus¬
ruf bemerkte, und bey ſich ſelbſt das gute
Gedächtniß ſeines Knabens prieß, der von ſo
wenigem Zuhören ſo mancherley habe behal¬
ten können.
Hierdurch ward ich immer verwegener, und
rezitirte eines Abends das Stück zum grö߬
ten Theile vor meiner Mutter, indem ich
mir einige Wachsklümpchen zu Schauſpielern
bereitete. Sie merkte auf, drang in mich,
und ich geſtand.
Glücklicher Weiſe fiel dieſe Entdeckung in
die Zeit, da der Lieutenant ſelbſt den Wunſch
geäuſſert hatte, mich in dieſe Geheimniſſe
einweihen zu dürfen. Meine Mutter gab
ihm ſogleich Nachricht von dem unerwarte¬
ten Talente ihres Sohnes, und er wußte
nun einzuleiten, daß man ihm ein Paar
Zimmer im oberſten Stocke, die gewöhnlich
leer ſtanden, überließ, in deren einem wieder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/46>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.