Der Lieutenant schlug nunmehr das Theater auf, und besorgte das Übrige. Ich merkte wohl, daß er die Woche mehrmals zu unge¬ wöhnlicher Zeit ins Haus kam, und vermu¬ thete die Absicht. Meine Begierde wuchs unglaublich, da ich wohl fühlte, daß ich vor Sonnabends keinen Theil an dem, was zu¬ bereitet wurde, nehmen durfte. Endlich er¬ schien der gewünschte Tag. Abends fünfe kam mein Führer, und nahm mich mit hin¬ auf. Zitternd vor Freude trat ich hinein, und erblickte auf beyden Seiten des Gestel¬ les die herabhängenden Puppen in der Ord¬ nung, wie sie auftreten sollten; ich betrachtete sie sorgfältig, stieg auf den Tritt, der mich über das Theater erhub, so daß ich nun
Sechstes Capitel.
Der Lieutenant ſchlug nunmehr das Theater auf, und beſorgte das Übrige. Ich merkte wohl, daß er die Woche mehrmals zu unge¬ wöhnlicher Zeit ins Haus kam, und vermu¬ thete die Abſicht. Meine Begierde wuchs unglaublich, da ich wohl fühlte, daß ich vor Sonnabends keinen Theil an dem, was zu¬ bereitet wurde, nehmen durfte. Endlich er¬ ſchien der gewünſchte Tag. Abends fünfe kam mein Führer, und nahm mich mit hin¬ auf. Zitternd vor Freude trat ich hinein, und erblickte auf beyden Seiten des Geſtel¬ les die herabhängenden Puppen in der Ord¬ nung, wie ſie auftreten ſollten; ich betrachtete ſie ſorgfältig, ſtieg auf den Tritt, der mich über das Theater erhub, ſo daß ich nun
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0048"n="40"/></div><divn="3"><head><hirendition="#g">Sechstes Capitel.</hi><lb/></head><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">D</hi>er Lieutenant ſchlug nunmehr das Theater<lb/>
auf, und beſorgte das Übrige. Ich merkte<lb/>
wohl, daß er die Woche mehrmals zu unge¬<lb/>
wöhnlicher Zeit ins Haus kam, und vermu¬<lb/>
thete die Abſicht. Meine Begierde wuchs<lb/>
unglaublich, da ich wohl fühlte, daß ich vor<lb/>
Sonnabends keinen Theil an dem, was zu¬<lb/>
bereitet wurde, nehmen durfte. Endlich er¬<lb/>ſchien der gewünſchte Tag. Abends fünfe<lb/>
kam mein Führer, und nahm mich mit hin¬<lb/>
auf. Zitternd vor Freude trat ich hinein,<lb/>
und erblickte auf beyden Seiten des Geſtel¬<lb/>
les die herabhängenden Puppen in der Ord¬<lb/>
nung, wie ſie auftreten ſollten; ich betrachtete<lb/>ſie ſorgfältig, ſtieg auf den Tritt, der mich<lb/>
über das Theater erhub, ſo daß ich nun<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[40/0048]
Sechstes Capitel.
Der Lieutenant ſchlug nunmehr das Theater
auf, und beſorgte das Übrige. Ich merkte
wohl, daß er die Woche mehrmals zu unge¬
wöhnlicher Zeit ins Haus kam, und vermu¬
thete die Abſicht. Meine Begierde wuchs
unglaublich, da ich wohl fühlte, daß ich vor
Sonnabends keinen Theil an dem, was zu¬
bereitet wurde, nehmen durfte. Endlich er¬
ſchien der gewünſchte Tag. Abends fünfe
kam mein Führer, und nahm mich mit hin¬
auf. Zitternd vor Freude trat ich hinein,
und erblickte auf beyden Seiten des Geſtel¬
les die herabhängenden Puppen in der Ord¬
nung, wie ſie auftreten ſollten; ich betrachtete
ſie ſorgfältig, ſtieg auf den Tritt, der mich
über das Theater erhub, ſo daß ich nun
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/48>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.