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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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scheidet, zwey feindliche Vorposten sich ruhig
und lustig zusammen besprechen, ohne an den
Krieg zu denken, in welchen ihre beiderseiti¬
gen Partheyen begriffen sind: so wechselte
die Gräfin mit Wilhelm bedeutende Blicke
über die ungeheure Kluft der Geburt und
des Standes hinüber, und jedes glaubte an
seiner Seite, sicher seinen Empfindungen nach¬
hängen zu dürfen.

Die Baronesse hatte sich indessen den
Laertes ausgesucht, der ihr als ein wackerer,
munterer Jüngling besonders wohlgefiel, und
der, so sehr Weiberfeind er war, doch ein
vorbeygehendes Abentheuer nicht verschmähe¬
te, und wirklich dießmal wider Willen durch
die Leutseligkeit und das einnehmende Wesen
der Baronesse gefesselt worden wäre, hätte
ihm der Baron zufällig nicht einen guten,
oder, wenn man will, einen schlimmen Dienst
erzeigt, indem er ihn mit den Gesinnungen
dieser Dame näher bekannt machte.

ſcheidet, zwey feindliche Vorpoſten ſich ruhig
und luſtig zuſammen beſprechen, ohne an den
Krieg zu denken, in welchen ihre beiderſeiti¬
gen Partheyen begriffen ſind: ſo wechſelte
die Gräfin mit Wilhelm bedeutende Blicke
über die ungeheure Kluft der Geburt und
des Standes hinüber, und jedes glaubte an
ſeiner Seite, ſicher ſeinen Empfindungen nach¬
hängen zu dürfen.

Die Baroneſſe hatte ſich indeſſen den
Laertes ausgeſucht, der ihr als ein wackerer,
munterer Jüngling beſonders wohlgefiel, und
der, ſo ſehr Weiberfeind er war, doch ein
vorbeygehendes Abentheuer nicht verſchmähe¬
te, und wirklich dießmal wider Willen durch
die Leutſeligkeit und das einnehmende Weſen
der Baroneſſe gefeſſelt worden wäre, hätte
ihm der Baron zufällig nicht einen guten,
oder, wenn man will, einen ſchlimmen Dienſt
erzeigt, indem er ihn mit den Geſinnungen
dieſer Dame näher bekannt machte.

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[93/0101] ſcheidet, zwey feindliche Vorpoſten ſich ruhig und luſtig zuſammen beſprechen, ohne an den Krieg zu denken, in welchen ihre beiderſeiti¬ gen Partheyen begriffen ſind: ſo wechſelte die Gräfin mit Wilhelm bedeutende Blicke über die ungeheure Kluft der Geburt und des Standes hinüber, und jedes glaubte an ſeiner Seite, ſicher ſeinen Empfindungen nach¬ hängen zu dürfen. Die Baroneſſe hatte ſich indeſſen den Laertes ausgeſucht, der ihr als ein wackerer, munterer Jüngling beſonders wohlgefiel, und der, ſo ſehr Weiberfeind er war, doch ein vorbeygehendes Abentheuer nicht verſchmähe¬ te, und wirklich dießmal wider Willen durch die Leutſeligkeit und das einnehmende Weſen der Baroneſſe gefeſſelt worden wäre, hätte ihm der Baron zufällig nicht einen guten, oder, wenn man will, einen ſchlimmen Dienſt erzeigt, indem er ihn mit den Geſinnungen dieſer Dame näher bekannt machte.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/101>, abgerufen am 22.11.2024.