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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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mit seinen Stücken alle Mühe, und Wil¬
helm sparte keinen Fleiß, die herrlichen Reden
des vortrefflichen Helden, dessen Rolle ihm
zugefallen war, auf das genauste zu memo¬
riren.

Indessen hatten sich doch auch nach und
nach einige Mißhelligkeiten eingeschlichen.
Die Vorliebe des Barons für gewisse Schau¬
spieler wurde von Tag zu Tag merklicher,
und nothwendig mußte dieß die übrigen ver¬
drießen. Er erhob seine Günstlinge ganz
ausschließlich, und brachte dadurch Eifersucht
und Uneinigkeit unter die Gesellschaft. Me¬
lina, der sich bey streitigen Fällen ohnedem
nicht zu helfen wußte, befand sich in einem
sehr unangenehmen Zustande. Die Gepriese¬
nen nahmen das Lob an, ohne sonderlich
dankbar zu seyn, und die Zurückgesetzten
ließen auf allerley Weise ihren Verdruß
spühren, und wußten ihrem erst hochverehr¬

mit ſeinen Stücken alle Mühe, und Wil¬
helm ſparte keinen Fleiß, die herrlichen Reden
des vortrefflichen Helden, deſſen Rolle ihm
zugefallen war, auf das genauſte zu memo¬
riren.

Indeſſen hatten ſich doch auch nach und
nach einige Mißhelligkeiten eingeſchlichen.
Die Vorliebe des Barons für gewiſſe Schau¬
ſpieler wurde von Tag zu Tag merklicher,
und nothwendig mußte dieß die übrigen ver¬
drießen. Er erhob ſeine Günſtlinge ganz
ausſchließlich, und brachte dadurch Eiferſucht
und Uneinigkeit unter die Geſellſchaft. Me¬
lina, der ſich bey ſtreitigen Fällen ohnedem
nicht zu helfen wußte, befand ſich in einem
ſehr unangenehmen Zuſtande. Die Geprieſe¬
nen nahmen das Lob an, ohne ſonderlich
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[105/0113] mit ſeinen Stücken alle Mühe, und Wil¬ helm ſparte keinen Fleiß, die herrlichen Reden des vortrefflichen Helden, deſſen Rolle ihm zugefallen war, auf das genauſte zu memo¬ riren. Indeſſen hatten ſich doch auch nach und nach einige Mißhelligkeiten eingeſchlichen. Die Vorliebe des Barons für gewiſſe Schau¬ ſpieler wurde von Tag zu Tag merklicher, und nothwendig mußte dieß die übrigen ver¬ drießen. Er erhob ſeine Günſtlinge ganz ausſchließlich, und brachte dadurch Eiferſucht und Uneinigkeit unter die Geſellſchaft. Me¬ lina, der ſich bey ſtreitigen Fällen ohnedem nicht zu helfen wußte, befand ſich in einem ſehr unangenehmen Zuſtande. Die Geprieſe¬ nen nahmen das Lob an, ohne ſonderlich dankbar zu ſeyn, und die Zurückgeſetzten ließen auf allerley Weiſe ihren Verdruß ſpühren, und wußten ihrem erſt hochverehr¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/113>, abgerufen am 22.11.2024.