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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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seinen Rock ausziehen, und in den seidnen
Schlafrock des Grafen hinein schlupfen, setzte
ihm darauf die Mütze mit dem rothen Ban¬
de auf, führte ihn ins Kabinet und hieß
ihn, sich in den großen Sessel setzen und ein
Buch nehmen, zündete die argantische Lampe
selbst an, die vor ihm stand, und unterrichtete
ihn, was er zu thun, und was er für eine
Rolle zu spielen habe.

Man werde, sagte sie, der Gräfin die
unvermuthete Ankunft ihres Gemahls, und
seine üble Laune ankündigen, sie werde kom¬
men, einigemal im Zimmer auf und abgehn,
sich alsdann auf die Lehne des Sessels setzen,
ihren Arm auf seine Schulter legen, und ei¬
nige Worte sprechen. Er solle seine Ehmanns¬
rolle so lange und so gut als möglich spielen,
wenn er sich aber endlich entdecken müßte,
so solle er hübsch artig und galant seyn.

Wilhelm saß nun unruhig genug in die¬

ſeinen Rock ausziehen, und in den ſeidnen
Schlafrock des Grafen hinein ſchlupfen, ſetzte
ihm darauf die Mütze mit dem rothen Ban¬
de auf, führte ihn ins Kabinet und hieß
ihn, ſich in den großen Seſſel ſetzen und ein
Buch nehmen, zündete die argantiſche Lampe
ſelbſt an, die vor ihm ſtand, und unterrichtete
ihn, was er zu thun, und was er für eine
Rolle zu ſpielen habe.

Man werde, ſagte ſie, der Gräfin die
unvermuthete Ankunft ihres Gemahls, und
ſeine üble Laune ankündigen, ſie werde kom¬
men, einigemal im Zimmer auf und abgehn,
ſich alsdann auf die Lehne des Seſſels ſetzen,
ihren Arm auf ſeine Schulter legen, und ei¬
nige Worte ſprechen. Er ſolle ſeine Ehmanns¬
rolle ſo lange und ſo gut als möglich ſpielen,
wenn er ſich aber endlich entdecken müßte,
ſo ſolle er hübſch artig und galant ſeyn.

Wilhelm ſaß nun unruhig genug in die¬

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[125/0133] ſeinen Rock ausziehen, und in den ſeidnen Schlafrock des Grafen hinein ſchlupfen, ſetzte ihm darauf die Mütze mit dem rothen Ban¬ de auf, führte ihn ins Kabinet und hieß ihn, ſich in den großen Seſſel ſetzen und ein Buch nehmen, zündete die argantiſche Lampe ſelbſt an, die vor ihm ſtand, und unterrichtete ihn, was er zu thun, und was er für eine Rolle zu ſpielen habe. Man werde, ſagte ſie, der Gräfin die unvermuthete Ankunft ihres Gemahls, und ſeine üble Laune ankündigen, ſie werde kom¬ men, einigemal im Zimmer auf und abgehn, ſich alsdann auf die Lehne des Seſſels ſetzen, ihren Arm auf ſeine Schulter legen, und ei¬ nige Worte ſprechen. Er ſolle ſeine Ehmanns¬ rolle ſo lange und ſo gut als möglich ſpielen, wenn er ſich aber endlich entdecken müßte, ſo ſolle er hübſch artig und galant ſeyn. Wilhelm ſaß nun unruhig genug in die¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/133>, abgerufen am 22.11.2024.