Wilhelm hatte kaum einige Stücke Sha¬ kespears gelesen, als ihre Wirkung auf ihn so stark wurde, daß er weiter fortzufahren nicht im Stande war. Seine ganze Seele gerieth in Bewegung. Er suchte Gelegenheit, mit Jarno zu sprechen, und konnte ihm nicht genug für die verschafte Freude danken.
Ich habe es wohl vorausgesehen, sagte dieser, daß Sie gegen die Trefflichkeiten des ausserordentlichsten und wunderbarsten aller Schriftsteller nicht unempfindlich bleiben wür¬ den.
Ja, rief Wilhelm aus, ich erinnere mich nicht, daß ein Buch, ein Mensch oder irgend eine Begebenheit des Lebens so große Wir¬ kungen auf mich hervorgebracht hätte, als
I 2
Eilftes Capitel.
Wilhelm hatte kaum einige Stücke Sha¬ keſpears geleſen, als ihre Wirkung auf ihn ſo ſtark wurde, daß er weiter fortzufahren nicht im Stande war. Seine ganze Seele gerieth in Bewegung. Er ſuchte Gelegenheit, mit Jarno zu ſprechen, und konnte ihm nicht genug für die verſchafte Freude danken.
Ich habe es wohl vorausgeſehen, ſagte dieſer, daß Sie gegen die Trefflichkeiten des auſſerordentlichſten und wunderbarſten aller Schriftſteller nicht unempfindlich bleiben wür¬ den.
Ja, rief Wilhelm aus, ich erinnere mich nicht, daß ein Buch, ein Menſch oder irgend eine Begebenheit des Lebens ſo große Wir¬ kungen auf mich hervorgebracht hätte, als
I 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0139"n="131"/></div><divn="3"><head><hirendition="#g">Eilftes Capitel</hi>.<lb/></head><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">W</hi>ilhelm hatte kaum einige Stücke Sha¬<lb/>
keſpears geleſen, als ihre Wirkung auf ihn<lb/>ſo ſtark wurde, daß er weiter fortzufahren<lb/>
nicht im Stande war. Seine ganze Seele<lb/>
gerieth in Bewegung. Er ſuchte Gelegenheit,<lb/>
mit Jarno zu ſprechen, und konnte ihm nicht<lb/>
genug für die verſchafte Freude danken.</p><lb/><p>Ich habe es wohl vorausgeſehen, ſagte<lb/>
dieſer, daß Sie gegen die Trefflichkeiten des<lb/>
auſſerordentlichſten und wunderbarſten aller<lb/>
Schriftſteller nicht unempfindlich bleiben wür¬<lb/>
den.</p><lb/><p>Ja, rief Wilhelm aus, ich erinnere mich<lb/>
nicht, daß ein Buch, ein Menſch oder irgend<lb/>
eine Begebenheit des Lebens ſo große Wir¬<lb/>
kungen auf mich hervorgebracht hätte, als<lb/><fwplace="bottom"type="sig">I 2<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[131/0139]
Eilftes Capitel.
Wilhelm hatte kaum einige Stücke Sha¬
keſpears geleſen, als ihre Wirkung auf ihn
ſo ſtark wurde, daß er weiter fortzufahren
nicht im Stande war. Seine ganze Seele
gerieth in Bewegung. Er ſuchte Gelegenheit,
mit Jarno zu ſprechen, und konnte ihm nicht
genug für die verſchafte Freude danken.
Ich habe es wohl vorausgeſehen, ſagte
dieſer, daß Sie gegen die Trefflichkeiten des
auſſerordentlichſten und wunderbarſten aller
Schriftſteller nicht unempfindlich bleiben wür¬
den.
Ja, rief Wilhelm aus, ich erinnere mich
nicht, daß ein Buch, ein Menſch oder irgend
eine Begebenheit des Lebens ſo große Wir¬
kungen auf mich hervorgebracht hätte, als
I 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/139>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.