Möglichkeit und Wirklichkeit solcher Geschich¬ ten zu überzeugen suchte. Jarno spielte den Betroffenen, Zweifelnden und endlich den Überzeugten, machte sich aber gleich darauf in stiller Nacht mit seiner Freundin desto lu¬ stiger über den schwachen Weltmann, der nun auf einmal von seinen Unarten durch einen Popanz bekehrt worden, und der nur noch deswegen zu loben sey, weil er mit so vieler Fassung ein bevorstehendes Unglück, ja vielleicht gar den Tod erwarte.
Auf die natürlichste Folge, welche diese Erscheinung hätte haben können, möchte er doch wohl nicht gefaßt seyn, rief die Baro¬ nesse mit ihrer gewöhnlichen Munterkeit, zu der sie, so bald ihr eine Sorge vom Herzen genommen war, gleich wieder übergehen konnte. Jarno ward reichlich belohnt, und man schmiedete neue Anschläge, den Grafen noch mehr kirre zu machen, und die Neigung
K 2
Möglichkeit und Wirklichkeit ſolcher Geſchich¬ ten zu überzeugen ſuchte. Jarno ſpielte den Betroffenen, Zweifelnden und endlich den Überzeugten, machte ſich aber gleich darauf in ſtiller Nacht mit ſeiner Freundin deſto lu¬ ſtiger über den ſchwachen Weltmann, der nun auf einmal von ſeinen Unarten durch einen Popanz bekehrt worden, und der nur noch deswegen zu loben ſey, weil er mit ſo vieler Faſſung ein bevorſtehendes Unglück, ja vielleicht gar den Tod erwarte.
Auf die natürlichſte Folge, welche dieſe Erſcheinung hätte haben können, möchte er doch wohl nicht gefaßt ſeyn, rief die Baro¬ neſſe mit ihrer gewöhnlichen Munterkeit, zu der ſie, ſo bald ihr eine Sorge vom Herzen genommen war, gleich wieder übergehen konnte. Jarno ward reichlich belohnt, und man ſchmiedete neue Anſchläge, den Grafen noch mehr kirre zu machen, und die Neigung
K 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0155"n="147"/>
Möglichkeit und Wirklichkeit ſolcher Geſchich¬<lb/>
ten zu überzeugen ſuchte. Jarno ſpielte den<lb/>
Betroffenen, Zweifelnden und endlich den<lb/>
Überzeugten, machte ſich aber gleich darauf<lb/>
in ſtiller Nacht mit ſeiner Freundin deſto lu¬<lb/>ſtiger über den ſchwachen Weltmann, der<lb/>
nun auf einmal von ſeinen Unarten durch<lb/>
einen Popanz bekehrt worden, und der nur<lb/>
noch deswegen zu loben ſey, weil er mit ſo<lb/>
vieler Faſſung ein bevorſtehendes Unglück, ja<lb/>
vielleicht gar den Tod erwarte.</p><lb/><p>Auf die natürlichſte Folge, welche dieſe<lb/>
Erſcheinung hätte haben können, möchte er<lb/>
doch wohl nicht gefaßt ſeyn, rief die Baro¬<lb/>
neſſe mit ihrer gewöhnlichen Munterkeit, zu<lb/>
der ſie, ſo bald ihr eine Sorge vom Herzen<lb/>
genommen war, gleich wieder übergehen<lb/>
konnte. Jarno ward reichlich belohnt, und<lb/>
man ſchmiedete neue Anſchläge, den Grafen<lb/>
noch mehr kirre zu machen, und die Neigung<lb/><fwplace="bottom"type="sig">K 2<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[147/0155]
Möglichkeit und Wirklichkeit ſolcher Geſchich¬
ten zu überzeugen ſuchte. Jarno ſpielte den
Betroffenen, Zweifelnden und endlich den
Überzeugten, machte ſich aber gleich darauf
in ſtiller Nacht mit ſeiner Freundin deſto lu¬
ſtiger über den ſchwachen Weltmann, der
nun auf einmal von ſeinen Unarten durch
einen Popanz bekehrt worden, und der nur
noch deswegen zu loben ſey, weil er mit ſo
vieler Faſſung ein bevorſtehendes Unglück, ja
vielleicht gar den Tod erwarte.
Auf die natürlichſte Folge, welche dieſe
Erſcheinung hätte haben können, möchte er
doch wohl nicht gefaßt ſeyn, rief die Baro¬
neſſe mit ihrer gewöhnlichen Munterkeit, zu
der ſie, ſo bald ihr eine Sorge vom Herzen
genommen war, gleich wieder übergehen
konnte. Jarno ward reichlich belohnt, und
man ſchmiedete neue Anſchläge, den Grafen
noch mehr kirre zu machen, und die Neigung
K 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/155>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.