muthig unter die Augen treten zu können, steh ich beschämt vor den Ihrigen.
Es ist sonderbar, versetzte der Baron, welch ein wunderlich Bedenken man sich macht, Geld von Freunden und Gönnern anzunehmen, von denen man jede andere Gabe mit Dank und Freude empfangen würde. Die menschliche Natur hat mehr ähnliche Eigenheiten, solche Skrupel gern zu erzeugen und sorgfältig zu nähren.
Ist es nicht das nemliche mit allen Ehrenpunkten? fragte Wilhelm.
Ach ja, versetzte der Baron, und andern Vorurtheilen. Wir wollen sie nicht ausjä¬ ten, um nicht vielleicht edle Pflanzen zugleich mit auszuraufen. Aber mich freut immer, wenn einzelne Personen fühlen, über was man sich hinaussetzen kann und soll, und ich denke mit Vergnügen an die Geschichte des geistreichen Dichters, der für ein Hoftheater
muthig unter die Augen treten zu können, ſteh ich beſchämt vor den Ihrigen.
Es iſt ſonderbar, verſetzte der Baron, welch ein wunderlich Bedenken man ſich macht, Geld von Freunden und Gönnern anzunehmen, von denen man jede andere Gabe mit Dank und Freude empfangen würde. Die menſchliche Natur hat mehr ähnliche Eigenheiten, ſolche Skrupel gern zu erzeugen und ſorgfältig zu nähren.
Iſt es nicht das nemliche mit allen Ehrenpunkten? fragte Wilhelm.
Ach ja, verſetzte der Baron, und andern Vorurtheilen. Wir wollen ſie nicht ausjä¬ ten, um nicht vielleicht edle Pflanzen zugleich mit auszuraufen. Aber mich freut immer, wenn einzelne Perſonen fühlen, über was man ſich hinausſetzen kann und ſoll, und ich denke mit Vergnügen an die Geſchichte des geiſtreichen Dichters, der für ein Hoftheater
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0178"n="170"/>
muthig unter die Augen treten zu können,<lb/>ſteh ich beſchämt vor den Ihrigen.</p><lb/><p>Es iſt ſonderbar, verſetzte der Baron,<lb/>
welch ein wunderlich Bedenken man ſich<lb/>
macht, Geld von Freunden und Gönnern<lb/>
anzunehmen, von denen man jede andere<lb/>
Gabe mit Dank und Freude empfangen<lb/>
würde. Die menſchliche Natur hat mehr<lb/>
ähnliche Eigenheiten, ſolche Skrupel gern zu<lb/>
erzeugen und ſorgfältig zu nähren.</p><lb/><p>Iſt es nicht das nemliche mit allen<lb/>
Ehrenpunkten? fragte Wilhelm.</p><lb/><p>Ach ja, verſetzte der Baron, und andern<lb/>
Vorurtheilen. Wir wollen ſie nicht ausjä¬<lb/>
ten, um nicht vielleicht edle Pflanzen zugleich<lb/>
mit auszuraufen. Aber mich freut immer,<lb/>
wenn einzelne Perſonen fühlen, über was<lb/>
man ſich hinausſetzen kann und ſoll, und ich<lb/>
denke mit Vergnügen an die Geſchichte des<lb/>
geiſtreichen Dichters, der für ein Hoftheater<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[170/0178]
muthig unter die Augen treten zu können,
ſteh ich beſchämt vor den Ihrigen.
Es iſt ſonderbar, verſetzte der Baron,
welch ein wunderlich Bedenken man ſich
macht, Geld von Freunden und Gönnern
anzunehmen, von denen man jede andere
Gabe mit Dank und Freude empfangen
würde. Die menſchliche Natur hat mehr
ähnliche Eigenheiten, ſolche Skrupel gern zu
erzeugen und ſorgfältig zu nähren.
Iſt es nicht das nemliche mit allen
Ehrenpunkten? fragte Wilhelm.
Ach ja, verſetzte der Baron, und andern
Vorurtheilen. Wir wollen ſie nicht ausjä¬
ten, um nicht vielleicht edle Pflanzen zugleich
mit auszuraufen. Aber mich freut immer,
wenn einzelne Perſonen fühlen, über was
man ſich hinausſetzen kann und ſoll, und ich
denke mit Vergnügen an die Geſchichte des
geiſtreichen Dichters, der für ein Hoftheater
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/178>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.