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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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muthig unter die Augen treten zu können,
steh ich beschämt vor den Ihrigen.

Es ist sonderbar, versetzte der Baron,
welch ein wunderlich Bedenken man sich
macht, Geld von Freunden und Gönnern
anzunehmen, von denen man jede andere
Gabe mit Dank und Freude empfangen
würde. Die menschliche Natur hat mehr
ähnliche Eigenheiten, solche Skrupel gern zu
erzeugen und sorgfältig zu nähren.

Ist es nicht das nemliche mit allen
Ehrenpunkten? fragte Wilhelm.

Ach ja, versetzte der Baron, und andern
Vorurtheilen. Wir wollen sie nicht ausjä¬
ten, um nicht vielleicht edle Pflanzen zugleich
mit auszuraufen. Aber mich freut immer,
wenn einzelne Personen fühlen, über was
man sich hinaussetzen kann und soll, und ich
denke mit Vergnügen an die Geschichte des
geistreichen Dichters, der für ein Hoftheater

muthig unter die Augen treten zu können,
ſteh ich beſchämt vor den Ihrigen.

Es iſt ſonderbar, verſetzte der Baron,
welch ein wunderlich Bedenken man ſich
macht, Geld von Freunden und Gönnern
anzunehmen, von denen man jede andere
Gabe mit Dank und Freude empfangen
würde. Die menſchliche Natur hat mehr
ähnliche Eigenheiten, ſolche Skrupel gern zu
erzeugen und ſorgfältig zu nähren.

Iſt es nicht das nemliche mit allen
Ehrenpunkten? fragte Wilhelm.

Ach ja, verſetzte der Baron, und andern
Vorurtheilen. Wir wollen ſie nicht ausjä¬
ten, um nicht vielleicht edle Pflanzen zugleich
mit auszuraufen. Aber mich freut immer,
wenn einzelne Perſonen fühlen, über was
man ſich hinausſetzen kann und ſoll, und ich
denke mit Vergnügen an die Geſchichte des
geiſtreichen Dichters, der für ein Hoftheater

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[170/0178] muthig unter die Augen treten zu können, ſteh ich beſchämt vor den Ihrigen. Es iſt ſonderbar, verſetzte der Baron, welch ein wunderlich Bedenken man ſich macht, Geld von Freunden und Gönnern anzunehmen, von denen man jede andere Gabe mit Dank und Freude empfangen würde. Die menſchliche Natur hat mehr ähnliche Eigenheiten, ſolche Skrupel gern zu erzeugen und ſorgfältig zu nähren. Iſt es nicht das nemliche mit allen Ehrenpunkten? fragte Wilhelm. Ach ja, verſetzte der Baron, und andern Vorurtheilen. Wir wollen ſie nicht ausjä¬ ten, um nicht vielleicht edle Pflanzen zugleich mit auszuraufen. Aber mich freut immer, wenn einzelne Perſonen fühlen, über was man ſich hinausſetzen kann und ſoll, und ich denke mit Vergnügen an die Geſchichte des geiſtreichen Dichters, der für ein Hoftheater

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/178>, abgerufen am 21.11.2024.