aus dem Gelenke; wehe mir, daß ich geboh¬ ren war, sie wieder einzurichten.
In diesen Worten, dünkt mich, liegt der Schlüssel zu Hamlets ganzen Betragen, und mir ist deutlich, daß Shakespear habe schil¬ dern wollen: eine große That auf eine Seele gelegt, die der That nicht gewachsen ist. Und in diesem Sinne find' ich das Stück durch¬ gängig gearbeitet. Hier wird ein Eichbaum in ein köstliches Gefäß gepflanzt, das nur liebliche Blumen in seinen Schooß hätte auf¬ nehmen sollen; die Wurzeln dehnen sich aus, das Gefäß wird zernichtet.
Ein schönes, reines, edles, höchst morali¬ sches Wesen, ohne die sinnliche Stärke, die den Helden macht, geht unter einer Last zu Grunde, die es weder tragen noch abwerfen kann; jede Pflicht ist ihm heilig, diese zu schwer. Das Unmögliche wird von ihm ge¬ fordert, nicht das Unmögliche an sich, sondern
aus dem Gelenke; wehe mir, daß ich geboh¬ ren war, ſie wieder einzurichten.
In dieſen Worten, dünkt mich, liegt der Schlüſſel zu Hamlets ganzen Betragen, und mir iſt deutlich, daß Shakeſpear habe ſchil¬ dern wollen: eine große That auf eine Seele gelegt, die der That nicht gewachſen iſt. Und in dieſem Sinne find’ ich das Stück durch¬ gängig gearbeitet. Hier wird ein Eichbaum in ein köſtliches Gefäß gepflanzt, das nur liebliche Blumen in ſeinen Schooß hätte auf¬ nehmen ſollen; die Wurzeln dehnen ſich aus, das Gefäß wird zernichtet.
Ein ſchönes, reines, edles, höchſt morali¬ ſches Weſen, ohne die ſinnliche Stärke, die den Helden macht, geht unter einer Laſt zu Grunde, die es weder tragen noch abwerfen kann; jede Pflicht iſt ihm heilig, dieſe zu ſchwer. Das Unmögliche wird von ihm ge¬ fordert, nicht das Unmögliche an ſich, ſondern
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aus dem Gelenke; wehe mir, daß ich geboh¬
ren war, ſie wieder einzurichten.
In dieſen Worten, dünkt mich, liegt der
Schlüſſel zu Hamlets ganzen Betragen, und
mir iſt deutlich, daß Shakeſpear habe ſchil¬
dern wollen: eine große That auf eine Seele
gelegt, die der That nicht gewachſen iſt. Und
in dieſem Sinne find’ ich das Stück durch¬
gängig gearbeitet. Hier wird ein Eichbaum
in ein köſtliches Gefäß gepflanzt, das nur
liebliche Blumen in ſeinen Schooß hätte auf¬
nehmen ſollen; die Wurzeln dehnen ſich aus,
das Gefäß wird zernichtet.
Ein ſchönes, reines, edles, höchſt morali¬
ſches Weſen, ohne die ſinnliche Stärke, die
den Helden macht, geht unter einer Laſt zu
Grunde, die es weder tragen noch abwerfen
kann; jede Pflicht iſt ihm heilig, dieſe zu
ſchwer. Das Unmögliche wird von ihm ge¬
fordert, nicht das Unmögliche an ſich, ſondern
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/288>, abgerufen am 22.11.2024.
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