Serlo schien im Ernste böse zu werden. -- Nimm es wie du willst, Bruder, fuhr sie fort, kannst du denn wissen, ob mir nicht etwa unter dieser Form ein köstlicher Talis¬ man bescheert ist; ob ich nicht Hülfe und Rath zur schlimmsten Zeit bey ihm finde; muß denn alles schädlich seyn, was gefähr¬ lich aussieht?
Dergleichen Reden, in denen kein Sinn ist, können mich toll machen, sagte Serlo, und verließ mit heimlichem Grimme das Zim¬ mer. Aurelie verwahrte den Dolch sorgfäl¬ tig in der Scheide, und steckte ihn zu sich. Lassen Sie uns das Gespräch fortsetzen, das der unglückliche Bruder gestört hat, fiel sie ein, als Wilhelm einige Fragen über den sonderbaren Streit vorbrachte.
Ich muß Ihre Schilderung Opheliens wohl gelten lassen, fuhr sie fort: ich will die Absicht des Dichters nicht verkennen; nur
Serlo ſchien im Ernſte böſe zu werden. — Nimm es wie du willſt, Bruder, fuhr ſie fort, kannſt du denn wiſſen, ob mir nicht etwa unter dieſer Form ein köſtlicher Talis¬ man beſcheert iſt; ob ich nicht Hülfe und Rath zur ſchlimmſten Zeit bey ihm finde; muß denn alles ſchädlich ſeyn, was gefähr¬ lich ausſieht?
Dergleichen Reden, in denen kein Sinn iſt, können mich toll machen, ſagte Serlo, und verließ mit heimlichem Grimme das Zim¬ mer. Aurelie verwahrte den Dolch ſorgfäl¬ tig in der Scheide, und ſteckte ihn zu ſich. Laſſen Sie uns das Geſpräch fortſetzen, das der unglückliche Bruder geſtört hat, fiel ſie ein, als Wilhelm einige Fragen über den ſonderbaren Streit vorbrachte.
Ich muß Ihre Schilderung Opheliens wohl gelten laſſen, fuhr ſie fort: ich will die Abſicht des Dichters nicht verkennen; nur
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0318"n="309"/><p>Serlo ſchien im Ernſte böſe zu werden. —<lb/>
Nimm es wie du willſt, Bruder, fuhr ſie<lb/>
fort, kannſt du denn wiſſen, ob mir nicht<lb/>
etwa unter dieſer Form ein köſtlicher Talis¬<lb/>
man beſcheert iſt; ob ich nicht Hülfe und<lb/>
Rath zur ſchlimmſten Zeit bey ihm finde;<lb/>
muß denn alles ſchädlich ſeyn, was gefähr¬<lb/>
lich ausſieht?</p><lb/><p>Dergleichen Reden, in denen kein Sinn<lb/>
iſt, können mich toll machen, ſagte Serlo,<lb/>
und verließ mit heimlichem Grimme das Zim¬<lb/>
mer. Aurelie verwahrte den Dolch ſorgfäl¬<lb/>
tig in der Scheide, und ſteckte ihn zu ſich.<lb/>
Laſſen Sie uns das Geſpräch fortſetzen, das<lb/>
der unglückliche Bruder geſtört hat, fiel ſie<lb/>
ein, als Wilhelm einige Fragen über den<lb/>ſonderbaren Streit vorbrachte.</p><lb/><p>Ich muß Ihre Schilderung Opheliens<lb/>
wohl gelten laſſen, fuhr ſie fort: ich will die<lb/>
Abſicht des Dichters nicht verkennen; nur<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[309/0318]
Serlo ſchien im Ernſte böſe zu werden. —
Nimm es wie du willſt, Bruder, fuhr ſie
fort, kannſt du denn wiſſen, ob mir nicht
etwa unter dieſer Form ein köſtlicher Talis¬
man beſcheert iſt; ob ich nicht Hülfe und
Rath zur ſchlimmſten Zeit bey ihm finde;
muß denn alles ſchädlich ſeyn, was gefähr¬
lich ausſieht?
Dergleichen Reden, in denen kein Sinn
iſt, können mich toll machen, ſagte Serlo,
und verließ mit heimlichem Grimme das Zim¬
mer. Aurelie verwahrte den Dolch ſorgfäl¬
tig in der Scheide, und ſteckte ihn zu ſich.
Laſſen Sie uns das Geſpräch fortſetzen, das
der unglückliche Bruder geſtört hat, fiel ſie
ein, als Wilhelm einige Fragen über den
ſonderbaren Streit vorbrachte.
Ich muß Ihre Schilderung Opheliens
wohl gelten laſſen, fuhr ſie fort: ich will die
Abſicht des Dichters nicht verkennen; nur
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/318>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.