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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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waren die wichtigen Puncte, an denen sie
sich fest hielten, von denen sie nicht los kom¬
men konnten. Ich wußte zuletzt nicht, wo¬
hin ich mich wenden sollte; sie dünkten sich
zu klug, sich unterhalten zu lassen, und sie
glaubten mich wundersam zu unterhalten,
wenn sie an mir herum tätschelten. Ich fing
an, sie alle von Herzen zu verachten, und es
war mir eben, als wenn die ganze Nation
sich recht vorsätzlich bey mir durch ihre Ab¬
gesandte habe prostituiren wollen. Sie kam
mir im Ganzen so links vor, so übel erzo¬
gen, so schlecht unterrichtet, so leer von ge¬
fälligem Wesen, so geschmacklos. Oft rief
ich aus: es kann doch kein Deutscher einen
Schuh zuschnallen, der es nicht von einer
fremden Nation gelernt hat!

Sie sehen, wie verblendet, wie hypochon¬
drisch ungerecht ich war, und je länger es
währte, desto mehr nahm meine Krankheit

waren die wichtigen Puncte, an denen ſie
ſich feſt hielten, von denen ſie nicht los kom¬
men konnten. Ich wußte zuletzt nicht, wo¬
hin ich mich wenden ſollte; ſie dünkten ſich
zu klug, ſich unterhalten zu laſſen, und ſie
glaubten mich wunderſam zu unterhalten,
wenn ſie an mir herum tätſchelten. Ich fing
an, ſie alle von Herzen zu verachten, und es
war mir eben, als wenn die ganze Nation
ſich recht vorſätzlich bey mir durch ihre Ab¬
geſandte habe proſtituiren wollen. Sie kam
mir im Ganzen ſo links vor, ſo übel erzo¬
gen, ſo ſchlecht unterrichtet, ſo leer von ge¬
fälligem Weſen, ſo geſchmacklos. Oft rief
ich aus: es kann doch kein Deutſcher einen
Schuh zuſchnallen, der es nicht von einer
fremden Nation gelernt hat!

Sie ſehen, wie verblendet, wie hypochon¬
driſch ungerecht ich war, und je länger es
währte, deſto mehr nahm meine Krankheit

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[318/0327] waren die wichtigen Puncte, an denen ſie ſich feſt hielten, von denen ſie nicht los kom¬ men konnten. Ich wußte zuletzt nicht, wo¬ hin ich mich wenden ſollte; ſie dünkten ſich zu klug, ſich unterhalten zu laſſen, und ſie glaubten mich wunderſam zu unterhalten, wenn ſie an mir herum tätſchelten. Ich fing an, ſie alle von Herzen zu verachten, und es war mir eben, als wenn die ganze Nation ſich recht vorſätzlich bey mir durch ihre Ab¬ geſandte habe proſtituiren wollen. Sie kam mir im Ganzen ſo links vor, ſo übel erzo¬ gen, ſo ſchlecht unterrichtet, ſo leer von ge¬ fälligem Weſen, ſo geſchmacklos. Oft rief ich aus: es kann doch kein Deutſcher einen Schuh zuſchnallen, der es nicht von einer fremden Nation gelernt hat! Sie ſehen, wie verblendet, wie hypochon¬ driſch ungerecht ich war, und je länger es währte, deſto mehr nahm meine Krankheit

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/327>, abgerufen am 24.11.2024.