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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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in ihrem Betragen täglich zu vermehren, und
ihr ganzes Wesen bewegte sich in einer rast¬
losen Stille. Sie konnte nicht seyn, ohne
einen Bindfaden in den Händen zu drehen,
ein Tuch zu kneten, Papier oder Hölzchen zu
kauen. Jedes ihrer Spiele schien nur eine
innere heftige Erschütterung abzuleiten. Das
Einzige, was ihr einige Heiterkeit zu geben
schien, war die Nähe des kleinen Felix, mit
dem sie sich sehr artig abzugeben wußte.

Aurelie, die nach einiger Ruhe gestimmt
war, sich mit ihrem Freunde über einen Ge¬
genstand, der ihr so sehr am Herzen lag,
endlich zu erklären, ward über die Beharr¬
lichkeit der Kleinen diesmal ungeduldig, und
gab ihr zu verstehen, daß sie sich wegbege¬
ben sollte, und man mußte sie endlich, da
alles nicht helfen wollte, ausdrücklich und
wider ihren Willen fortschicken.

Jetzt oder niemals, sagte Aurelie, muß

in ihrem Betragen täglich zu vermehren, und
ihr ganzes Weſen bewegte ſich in einer raſt¬
loſen Stille. Sie konnte nicht ſeyn, ohne
einen Bindfaden in den Händen zu drehen,
ein Tuch zu kneten, Papier oder Hölzchen zu
kauen. Jedes ihrer Spiele ſchien nur eine
innere heftige Erſchütterung abzuleiten. Das
Einzige, was ihr einige Heiterkeit zu geben
ſchien, war die Nähe des kleinen Felix, mit
dem ſie ſich ſehr artig abzugeben wußte.

Aurelie, die nach einiger Ruhe geſtimmt
war, ſich mit ihrem Freunde über einen Ge¬
genſtand, der ihr ſo ſehr am Herzen lag,
endlich zu erklären, ward über die Beharr¬
lichkeit der Kleinen diesmal ungeduldig, und
gab ihr zu verſtehen, daß ſie ſich wegbege¬
ben ſollte, und man mußte ſie endlich, da
alles nicht helfen wollte, ausdrücklich und
wider ihren Willen fortſchicken.

Jetzt oder niemals, ſagte Aurelie, muß

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[324/0333] in ihrem Betragen täglich zu vermehren, und ihr ganzes Weſen bewegte ſich in einer raſt¬ loſen Stille. Sie konnte nicht ſeyn, ohne einen Bindfaden in den Händen zu drehen, ein Tuch zu kneten, Papier oder Hölzchen zu kauen. Jedes ihrer Spiele ſchien nur eine innere heftige Erſchütterung abzuleiten. Das Einzige, was ihr einige Heiterkeit zu geben ſchien, war die Nähe des kleinen Felix, mit dem ſie ſich ſehr artig abzugeben wußte. Aurelie, die nach einiger Ruhe geſtimmt war, ſich mit ihrem Freunde über einen Ge¬ genſtand, der ihr ſo ſehr am Herzen lag, endlich zu erklären, ward über die Beharr¬ lichkeit der Kleinen diesmal ungeduldig, und gab ihr zu verſtehen, daß ſie ſich wegbege¬ ben ſollte, und man mußte ſie endlich, da alles nicht helfen wollte, ausdrücklich und wider ihren Willen fortſchicken. Jetzt oder niemals, ſagte Aurelie, muß

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/333>, abgerufen am 10.06.2024.