Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite
Achtzehntes Capitel.

Nicht ohne das größte Interesse vernahm
er Stückweise den Lebenslauf Serlo's, denn
es war nicht die Art dieses seltnen Mannes,
vertraulich zu seyn, und über irgend etwas
im Zusammenhange zu sprechen. Er war,
man darf sagen, auf dem Theater gebohren
und gesäugt. Schon als stummes Kind mu߬
te er durch seine bloße Gegenwart die Zu¬
schauer rühren, weil auch schon damals die
Verfasser diese natürlichen und unschuldigen
Hülfsmittel kannten, und sein erstes: Vater
und Mutter, brachte in beliebten Stücken
ihm schon den größten Beyfall zuwege, ehe
er wußte, was das Händeklatschen bedeute.
Als Amor kam er, zitternd, mehr als ein¬
mal, im Flugwerke herunter, entwickelte sich

Achtzehntes Capitel.

Nicht ohne das größte Intereſſe vernahm
er Stückweiſe den Lebenslauf Serlo’s, denn
es war nicht die Art dieſes ſeltnen Mannes,
vertraulich zu ſeyn, und über irgend etwas
im Zuſammenhange zu ſprechen. Er war,
man darf ſagen, auf dem Theater gebohren
und geſäugt. Schon als ſtummes Kind mu߬
te er durch ſeine bloße Gegenwart die Zu¬
ſchauer rühren, weil auch ſchon damals die
Verfaſſer dieſe natürlichen und unſchuldigen
Hülfsmittel kannten, und ſein erſtes: Vater
und Mutter, brachte in beliebten Stücken
ihm ſchon den größten Beyfall zuwege, ehe
er wußte, was das Händeklatſchen bedeute.
Als Amor kam er, zitternd, mehr als ein¬
mal, im Flugwerke herunter, entwickelte ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0349" n="340"/>
          </div>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#g">Achtzehntes Capitel</hi>.<lb/></head>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p><hi rendition="#in">N</hi>icht ohne das größte Intere&#x017F;&#x017F;e vernahm<lb/>
er Stückwei&#x017F;e den Lebenslauf Serlo&#x2019;s, denn<lb/>
es war nicht die Art die&#x017F;es &#x017F;eltnen Mannes,<lb/>
vertraulich zu &#x017F;eyn, und über irgend etwas<lb/>
im Zu&#x017F;ammenhange zu &#x017F;prechen. Er war,<lb/>
man darf &#x017F;agen, auf dem Theater gebohren<lb/>
und ge&#x017F;äugt. Schon als &#x017F;tummes Kind mu߬<lb/>
te er durch &#x017F;eine bloße Gegenwart die Zu¬<lb/>
&#x017F;chauer rühren, weil auch &#x017F;chon damals die<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;er die&#x017F;e natürlichen und un&#x017F;chuldigen<lb/>
Hülfsmittel kannten, und &#x017F;ein er&#x017F;tes: Vater<lb/>
und Mutter, brachte in beliebten Stücken<lb/>
ihm &#x017F;chon den größten Beyfall zuwege, ehe<lb/>
er wußte, was das Händeklat&#x017F;chen bedeute.<lb/>
Als Amor kam er, zitternd, mehr als ein¬<lb/>
mal, im Flugwerke herunter, entwickelte &#x017F;ich<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[340/0349] Achtzehntes Capitel. Nicht ohne das größte Intereſſe vernahm er Stückweiſe den Lebenslauf Serlo’s, denn es war nicht die Art dieſes ſeltnen Mannes, vertraulich zu ſeyn, und über irgend etwas im Zuſammenhange zu ſprechen. Er war, man darf ſagen, auf dem Theater gebohren und geſäugt. Schon als ſtummes Kind mu߬ te er durch ſeine bloße Gegenwart die Zu¬ ſchauer rühren, weil auch ſchon damals die Verfaſſer dieſe natürlichen und unſchuldigen Hülfsmittel kannten, und ſein erſtes: Vater und Mutter, brachte in beliebten Stücken ihm ſchon den größten Beyfall zuwege, ehe er wußte, was das Händeklatſchen bedeute. Als Amor kam er, zitternd, mehr als ein¬ mal, im Flugwerke herunter, entwickelte ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/349
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/349>, abgerufen am 24.11.2024.