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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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nahm Stücke vor, die noch gegeben werden
sollten, die lange nicht gegeben waren, und
zwar meistens nur Theilweise. So ließ er
auch, nach einer ersten Aufführung, Stellen,
bey denen er etwas zu erinnern hatte, wie¬
derholen, vermehrte dadurch die Einsicht der
Schauspieler, und verstärkte ihre Sicherheit,
den rechten Punkt zu treffen. Und wie ein
geringer aber richtiger Verstand mehr als
ein verworrnes und ungeläutertes Genie zur
Zufriedenheit anderer wirken kann; so er¬
hub er mittelmäßige Talente, durch die deut¬
liche Einsicht, die er ihnen unmerklich ver¬
schafte, zu einer bewundernswürdigen Fä¬
higkeit. Nicht wenig trug dazu bey, daß er
auch Gedichte lesen ließ, und in ihnen das
Gefühl jenes Reizes erhielt, den ein wohl¬
vorgetragner Rythmus in unsrer Seele er¬
regt, anstatt daß man bey andern Gesell¬
schaften schon anfing, nur diejenige Prosa

nahm Stücke vor, die noch gegeben werden
ſollten, die lange nicht gegeben waren, und
zwar meiſtens nur Theilweiſe. So ließ er
auch, nach einer erſten Aufführung, Stellen,
bey denen er etwas zu erinnern hatte, wie¬
derholen, vermehrte dadurch die Einſicht der
Schauſpieler, und verſtärkte ihre Sicherheit,
den rechten Punkt zu treffen. Und wie ein
geringer aber richtiger Verſtand mehr als
ein verworrnes und ungeläutertes Genie zur
Zufriedenheit anderer wirken kann; ſo er¬
hub er mittelmäßige Talente, durch die deut¬
liche Einſicht, die er ihnen unmerklich ver¬
ſchafte, zu einer bewundernswürdigen Fä¬
higkeit. Nicht wenig trug dazu bey, daß er
auch Gedichte leſen ließ, und in ihnen das
Gefühl jenes Reizes erhielt, den ein wohl¬
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[356/0365] nahm Stücke vor, die noch gegeben werden ſollten, die lange nicht gegeben waren, und zwar meiſtens nur Theilweiſe. So ließ er auch, nach einer erſten Aufführung, Stellen, bey denen er etwas zu erinnern hatte, wie¬ derholen, vermehrte dadurch die Einſicht der Schauſpieler, und verſtärkte ihre Sicherheit, den rechten Punkt zu treffen. Und wie ein geringer aber richtiger Verſtand mehr als ein verworrnes und ungeläutertes Genie zur Zufriedenheit anderer wirken kann; ſo er¬ hub er mittelmäßige Talente, durch die deut¬ liche Einſicht, die er ihnen unmerklich ver¬ ſchafte, zu einer bewundernswürdigen Fä¬ higkeit. Nicht wenig trug dazu bey, daß er auch Gedichte leſen ließ, und in ihnen das Gefühl jenes Reizes erhielt, den ein wohl¬ vorgetragner Rythmus in unſrer Seele er¬ regt, anſtatt daß man bey andern Geſell¬ ſchaften ſchon anfing, nur diejenige Proſa

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/365>, abgerufen am 21.11.2024.