fahrung anderer und auf die Resultate, die sie daraus mit Überzeugung ableiteten, einen übermäßigen Werth, und kam dadurch nur immer mehr in die Irre. Was ihm fehlte, glaubte er am ersten zu erwerben, wenn er alles Denkwürdige, was ihm in Büchern und im Gespräche vorkommen mochte, zu erhalten und zu sammlen unternähme. Er schrieb daher fremde und eigene Meynungen und Ideen, ja ganze Gespräche die ihm interes¬ sant waren, auf, und hielt leider auf diese Weise das Falsche so gut als das Wahre fest, blieb viel zu lange an Einer Idee, ja man möchte sagen an Einer Sentenz hän¬ gen, und verlies dabei seine natürliche Denk- und Handelsweise, indem er oft fremden Lichtern als Leitsternen folgte. Aureliens Bitterkeit und seines Freundes Laertes kalte Verachtung der Menschen bestachen öfter als billig war sein Urtheil; niemand aber war
fahrung anderer und auf die Reſultate, die ſie daraus mit Überzeugung ableiteten, einen übermäßigen Werth, und kam dadurch nur immer mehr in die Irre. Was ihm fehlte, glaubte er am erſten zu erwerben, wenn er alles Denkwürdige, was ihm in Büchern und im Geſpräche vorkommen mochte, zu erhalten und zu ſammlen unternähme. Er ſchrieb daher fremde und eigene Meynungen und Ideen, ja ganze Geſpräche die ihm intereſ¬ ſant waren, auf, und hielt leider auf dieſe Weiſe das Falſche ſo gut als das Wahre feſt, blieb viel zu lange an Einer Idee, ja man möchte ſagen an Einer Sentenz hän¬ gen, und verlies dabei ſeine natürliche Denk- und Handelsweiſe, indem er oft fremden Lichtern als Leitſternen folgte. Aureliens Bitterkeit und ſeines Freundes Laertes kalte Verachtung der Menſchen beſtachen öfter als billig war ſein Urtheil; niemand aber war
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fahrung anderer und auf die Reſultate, die
ſie daraus mit Überzeugung ableiteten, einen
übermäßigen Werth, und kam dadurch nur
immer mehr in die Irre. Was ihm fehlte,
glaubte er am erſten zu erwerben, wenn er
alles Denkwürdige, was ihm in Büchern und
im Geſpräche vorkommen mochte, zu erhalten
und zu ſammlen unternähme. Er ſchrieb
daher fremde und eigene Meynungen und
Ideen, ja ganze Geſpräche die ihm intereſ¬
ſant waren, auf, und hielt leider auf dieſe
Weiſe das Falſche ſo gut als das Wahre
feſt, blieb viel zu lange an Einer Idee, ja
man möchte ſagen an Einer Sentenz hän¬
gen, und verlies dabei ſeine natürliche Denk-
und Handelsweiſe, indem er oft fremden
Lichtern als Leitſternen folgte. Aureliens
Bitterkeit und ſeines Freundes Laertes kalte
Verachtung der Menſchen beſtachen öfter als
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/21>, abgerufen am 25.11.2024.
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