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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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mich und ich hielt mich kalt gegen sie; ihre
Unart überstieg manchmal allen Glauben,
und ich erlaubte mir, grob zu seyn.

Überdieß hatte mir mein Alter einmal
vertraulich eröffnet, daß mit den meisten die¬
ser leidigen Bursche nicht allein die Tugend
sondern auch die Gesundheit eines Mädchens
in Gefahr sey. Nun graute mir erst vor
ihnen, und ich war schon besorgt, wenn mir
einer auf irgend eine Weise zu nahe kam.
Ich hüthete mich vor Gläsern und Tassen
wie vor dem Stuhle, von dem einer aufge¬
standen war. Auf diese Weise war ich mo¬
ralisch und physisch sehr isolirt, und alle die
Artigkeiten, die sie mir sagten, nahm ich stolz
für schuldigen Weyrauch auf.

Unter den Fremden, die sich damals bey
uns aufhielten, zeichnete sich ein junger Mann
besonders aus, den wir im Scherz Narciß
nannten. Er hatte sich in der diplomati¬

W. Meisters Lehrj. 3. P

mich und ich hielt mich kalt gegen ſie; ihre
Unart überſtieg manchmal allen Glauben,
und ich erlaubte mir, grob zu ſeyn.

Überdieß hatte mir mein Alter einmal
vertraulich eröffnet, daß mit den meiſten die¬
ſer leidigen Burſche nicht allein die Tugend
ſondern auch die Geſundheit eines Mädchens
in Gefahr ſey. Nun graute mir erſt vor
ihnen, und ich war ſchon beſorgt, wenn mir
einer auf irgend eine Weiſe zu nahe kam.
Ich hüthete mich vor Gläſern und Taſſen
wie vor dem Stuhle, von dem einer aufge¬
ſtanden war. Auf dieſe Weiſe war ich mo¬
raliſch und phyſiſch ſehr iſolirt, und alle die
Artigkeiten, die ſie mir ſagten, nahm ich ſtolz
für ſchuldigen Weyrauch auf.

Unter den Fremden, die ſich damals bey
uns aufhielten, zeichnete ſich ein junger Mann
beſonders aus, den wir im Scherz Narciß
nannten. Er hatte ſich in der diplomati¬

W. Meiſters Lehrj. 3. P
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[225/0231] mich und ich hielt mich kalt gegen ſie; ihre Unart überſtieg manchmal allen Glauben, und ich erlaubte mir, grob zu ſeyn. Überdieß hatte mir mein Alter einmal vertraulich eröffnet, daß mit den meiſten die¬ ſer leidigen Burſche nicht allein die Tugend ſondern auch die Geſundheit eines Mädchens in Gefahr ſey. Nun graute mir erſt vor ihnen, und ich war ſchon beſorgt, wenn mir einer auf irgend eine Weiſe zu nahe kam. Ich hüthete mich vor Gläſern und Taſſen wie vor dem Stuhle, von dem einer aufge¬ ſtanden war. Auf dieſe Weiſe war ich mo¬ raliſch und phyſiſch ſehr iſolirt, und alle die Artigkeiten, die ſie mir ſagten, nahm ich ſtolz für ſchuldigen Weyrauch auf. Unter den Fremden, die ſich damals bey uns aufhielten, zeichnete ſich ein junger Mann beſonders aus, den wir im Scherz Narciß nannten. Er hatte ſich in der diplomati¬ W. Meiſters Lehrj. 3. P

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/231>, abgerufen am 09.11.2024.