zubilden, sehr erwünscht war, verlangte aus¬ drücklich, daß dieses literarische Commerz ein Geheimniß bleiben sollte.
So währte unser Umgang beynahe Jahr und Tag, und ich konnte nicht sagen, daß Narciß auf irgend eine Weise Liebe oder Zärtlichkeit gegen mich geäußert hätte. Er blieb artig und verbindlich, aber zeigte kei¬ nen Affekt, vielmehr schien der Reiz meiner jüngsten Schwester, die damals außerordent¬ lich schön war, ihn nicht gleichgültig zu las¬ sen. Er gab ihr im Scherze allerley freund¬ liche Namen aus fremden Sprachen, deren mehrere er sehr gut sprach, und deren eigen¬ thümliche Redensarten er gern ins deutsche Gespräch mischte. Sie erwiederte seine Ar¬ tigkeiten nicht sonderlich; sie war von einem andern Fädchen gebunden, und da sie über¬ haupt sehr rasch und er empfindlich war, so wurden sie nicht selten über Kleinigkeiten
zubilden, ſehr erwünſcht war, verlangte aus¬ drücklich, daß dieſes literariſche Commerz ein Geheimniß bleiben ſollte.
So währte unſer Umgang beynahe Jahr und Tag, und ich konnte nicht ſagen, daß Narciß auf irgend eine Weiſe Liebe oder Zärtlichkeit gegen mich geäußert hätte. Er blieb artig und verbindlich, aber zeigte kei¬ nen Affekt, vielmehr ſchien der Reiz meiner jüngſten Schweſter, die damals außerordent¬ lich ſchön war, ihn nicht gleichgültig zu laſ¬ ſen. Er gab ihr im Scherze allerley freund¬ liche Namen aus fremden Sprachen, deren mehrere er ſehr gut ſprach, und deren eigen¬ thümliche Redensarten er gern ins deutſche Geſpräch miſchte. Sie erwiederte ſeine Ar¬ tigkeiten nicht ſonderlich; ſie war von einem andern Fädchen gebunden, und da ſie über¬ haupt ſehr raſch und er empfindlich war, ſo wurden ſie nicht ſelten über Kleinigkeiten
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zubilden, ſehr erwünſcht war, verlangte aus¬
drücklich, daß dieſes literariſche Commerz ein
Geheimniß bleiben ſollte.
So währte unſer Umgang beynahe Jahr
und Tag, und ich konnte nicht ſagen, daß
Narciß auf irgend eine Weiſe Liebe oder
Zärtlichkeit gegen mich geäußert hätte. Er
blieb artig und verbindlich, aber zeigte kei¬
nen Affekt, vielmehr ſchien der Reiz meiner
jüngſten Schweſter, die damals außerordent¬
lich ſchön war, ihn nicht gleichgültig zu laſ¬
ſen. Er gab ihr im Scherze allerley freund¬
liche Namen aus fremden Sprachen, deren
mehrere er ſehr gut ſprach, und deren eigen¬
thümliche Redensarten er gern ins deutſche
Geſpräch miſchte. Sie erwiederte ſeine Ar¬
tigkeiten nicht ſonderlich; ſie war von einem
andern Fädchen gebunden, und da ſie über¬
haupt ſehr raſch und er empfindlich war, ſo
wurden ſie nicht ſelten über Kleinigkeiten
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/235>, abgerufen am 09.11.2024.
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