Gegenstand anzusehn, und da er wußte, daß ich meine Constitution, mein Übel, und die medicinischen Hülfsmittel ziemlich kannte, und ich wirklich durch anhaltende eigene und fremde Leiden ein halber Arzt geworden war, so leitete er meine Aufmerksamkeit von der Kenntniß des menschlichen Körpers und der Specereyen, auf die übrigen nachbarlichen Gegenstände der Schöpfung, und führte mich wie im Paradiese umher, und nur zuletzt, wenn ich mein Gleichniß fortsetzen darf, ließ er mich den in der Abendkühle im Garten wandelnden Schöpfer aus der Entfernung ahnden.
Wie gerne sah ich nunmehr Gott in der Natur, da ich ihn mit solcher Gewißheit im Herzen trug, wie interessant war mir das Werk seiner Hände, und wie dankbar war ich, daß er mich mit dem Athem seines Mun¬ des hatte beleben wollen.
Gegenſtand anzuſehn, und da er wußte, daß ich meine Conſtitution, mein Übel, und die mediciniſchen Hülfsmittel ziemlich kannte, und ich wirklich durch anhaltende eigene und fremde Leiden ein halber Arzt geworden war, ſo leitete er meine Aufmerkſamkeit von der Kenntniß des menſchlichen Körpers und der Specereyen, auf die übrigen nachbarlichen Gegenſtände der Schöpfung, und führte mich wie im Paradieſe umher, und nur zuletzt, wenn ich mein Gleichniß fortſetzen darf, ließ er mich den in der Abendkühle im Garten wandelnden Schöpfer aus der Entfernung ahnden.
Wie gerne ſah ich nunmehr Gott in der Natur, da ich ihn mit ſolcher Gewißheit im Herzen trug, wie intereſſant war mir das Werk ſeiner Hände, und wie dankbar war ich, daß er mich mit dem Athem ſeines Mun¬ des hatte beleben wollen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0365"n="359"/>
Gegenſtand anzuſehn, und da er wußte, daß<lb/>
ich meine Conſtitution, mein Übel, und die<lb/>
mediciniſchen Hülfsmittel ziemlich kannte,<lb/>
und ich wirklich durch anhaltende eigene und<lb/>
fremde Leiden ein halber Arzt geworden war,<lb/>ſo leitete er meine Aufmerkſamkeit von der<lb/>
Kenntniß des menſchlichen Körpers und der<lb/>
Specereyen, auf die übrigen nachbarlichen<lb/>
Gegenſtände der Schöpfung, und führte mich<lb/>
wie im Paradieſe umher, und nur zuletzt,<lb/>
wenn ich mein Gleichniß fortſetzen darf, ließ<lb/>
er mich den in der Abendkühle im Garten<lb/>
wandelnden Schöpfer aus der Entfernung<lb/>
ahnden.</p><lb/><p>Wie gerne ſah ich nunmehr Gott in der<lb/>
Natur, da ich ihn mit ſolcher Gewißheit im<lb/>
Herzen trug, wie intereſſant war mir das<lb/>
Werk ſeiner Hände, und wie dankbar war<lb/>
ich, daß er mich mit dem Athem ſeines Mun¬<lb/>
des hatte beleben wollen.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[359/0365]
Gegenſtand anzuſehn, und da er wußte, daß
ich meine Conſtitution, mein Übel, und die
mediciniſchen Hülfsmittel ziemlich kannte,
und ich wirklich durch anhaltende eigene und
fremde Leiden ein halber Arzt geworden war,
ſo leitete er meine Aufmerkſamkeit von der
Kenntniß des menſchlichen Körpers und der
Specereyen, auf die übrigen nachbarlichen
Gegenſtände der Schöpfung, und führte mich
wie im Paradieſe umher, und nur zuletzt,
wenn ich mein Gleichniß fortſetzen darf, ließ
er mich den in der Abendkühle im Garten
wandelnden Schöpfer aus der Entfernung
ahnden.
Wie gerne ſah ich nunmehr Gott in der
Natur, da ich ihn mit ſolcher Gewißheit im
Herzen trug, wie intereſſant war mir das
Werk ſeiner Hände, und wie dankbar war
ich, daß er mich mit dem Athem ſeines Mun¬
des hatte beleben wollen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/365>, abgerufen am 04.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.