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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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tes, sich einer gegen Wilhelmen dankbar er¬
zeigt hätte. Wie sie ohne Zutrauen gefor¬
dert hatten, so empfingen sie ohne Dank.
Die meisten wollten lieber ihre Anstellung
dem Einflusse Philinens zuschreiben, und
richteten ihre Danksagungen an sie. Indes¬
sen wurden die ausgefertigten Contracte
unterschrieben, und durch eine unerklärliche
Verknüpfung von Ideen entstand vor Wil¬
helms Einbildungskraft, in dem Augenblicke
als er seinen fingirten Nahmen unterzeichne¬
te, das Bild jenes Waldplatzes, wo er ver¬
wundet in Philinens Schooß gelegen. Auf
einem Schimmel kam die liebenswürdige
Amazone aus den Büschen, nahte sich ihm
und stieg ab. Ihr menschenfreundliches Be¬
mühen hieß sie gehen und kommen; endlich
stand sie vor ihm. Das Kleid fiel von ih¬
ren Schultern, ihr Gesicht, ihre Gestalt fin¬
gen an zu glänzen und sie verschwand. So

tes, ſich einer gegen Wilhelmen dankbar er¬
zeigt hätte. Wie ſie ohne Zutrauen gefor¬
dert hatten, ſo empfingen ſie ohne Dank.
Die meiſten wollten lieber ihre Anſtellung
dem Einfluſſe Philinens zuſchreiben, und
richteten ihre Dankſagungen an ſie. Indeſ¬
ſen wurden die ausgefertigten Contracte
unterſchrieben, und durch eine unerklärliche
Verknüpfung von Ideen entſtand vor Wil¬
helms Einbildungskraft, in dem Augenblicke
als er ſeinen fingirten Nahmen unterzeichne¬
te, das Bild jenes Waldplatzes, wo er ver¬
wundet in Philinens Schooß gelegen. Auf
einem Schimmel kam die liebenswürdige
Amazone aus den Büſchen, nahte ſich ihm
und ſtieg ab. Ihr menſchenfreundliches Be¬
mühen hieß ſie gehen und kommen; endlich
ſtand ſie vor ihm. Das Kleid fiel von ih¬
ren Schultern, ihr Geſicht, ihre Geſtalt fin¬
gen an zu glänzen und ſie verſchwand. So

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[36/0042] tes, ſich einer gegen Wilhelmen dankbar er¬ zeigt hätte. Wie ſie ohne Zutrauen gefor¬ dert hatten, ſo empfingen ſie ohne Dank. Die meiſten wollten lieber ihre Anſtellung dem Einfluſſe Philinens zuſchreiben, und richteten ihre Dankſagungen an ſie. Indeſ¬ ſen wurden die ausgefertigten Contracte unterſchrieben, und durch eine unerklärliche Verknüpfung von Ideen entſtand vor Wil¬ helms Einbildungskraft, in dem Augenblicke als er ſeinen fingirten Nahmen unterzeichne¬ te, das Bild jenes Waldplatzes, wo er ver¬ wundet in Philinens Schooß gelegen. Auf einem Schimmel kam die liebenswürdige Amazone aus den Büſchen, nahte ſich ihm und ſtieg ab. Ihr menſchenfreundliches Be¬ mühen hieß ſie gehen und kommen; endlich ſtand ſie vor ihm. Das Kleid fiel von ih¬ ren Schultern, ihr Geſicht, ihre Geſtalt fin¬ gen an zu glänzen und ſie verſchwand. So

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/42>, abgerufen am 27.11.2024.