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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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Gräfin, anders behandelt werden sollen, viel¬
leicht hätte man ihrer Natur etwas mehr
Ernst und Stärke einflößen können. Was
aus Bruder Friedrich werden soll, läßt sich
gar nicht denken; ich fürchte, er wird das
Opfer dieser pädagogischen Versuche werden.

Sie haben noch einen Bruder? rief
Wilhelm.

Ja! versetzte Natalie, und zwar eine sehr
lustige, leichtfertige Natur, und da man ihn
nicht abgehalten hatte in der Welt herum¬
zufahren, so weiß ich nicht, was aus diesem
losen, lockern Wesen werden soll. Ich habe
ihn seit langer Zeit nicht gesehen. Das ein¬
zige beruhigt mich, daß der Abbe, und über¬
haupt die Gesellschaft meines Bruders, je¬
derzeit unterrichtet sind, wo er sich aufhält
und was er treibt.

Wilhelm war eben im Begriff über die
sonderbaren Meinungen sowohl Nataliens

Gräfin, anders behandelt werden ſollen, viel¬
leicht hätte man ihrer Natur etwas mehr
Ernſt und Stärke einflößen können. Was
aus Bruder Friedrich werden ſoll, läßt ſich
gar nicht denken; ich fürchte, er wird das
Opfer dieſer pädagogiſchen Verſuche werden.

Sie haben noch einen Bruder? rief
Wilhelm.

Ja! verſetzte Natalie, und zwar eine ſehr
luſtige, leichtfertige Natur, und da man ihn
nicht abgehalten hatte in der Welt herum¬
zufahren, ſo weiß ich nicht, was aus dieſem
loſen, lockern Weſen werden ſoll. Ich habe
ihn ſeit langer Zeit nicht geſehen. Das ein¬
zige beruhigt mich, daß der Abbé, und über¬
haupt die Geſellſchaft meines Bruders, je¬
derzeit unterrichtet ſind, wo er ſich aufhält
und was er treibt.

Wilhelm war eben im Begriff über die
ſonderbaren Meinungen ſowohl Nataliens

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[274/0278] Gräfin, anders behandelt werden ſollen, viel¬ leicht hätte man ihrer Natur etwas mehr Ernſt und Stärke einflößen können. Was aus Bruder Friedrich werden ſoll, läßt ſich gar nicht denken; ich fürchte, er wird das Opfer dieſer pädagogiſchen Verſuche werden. Sie haben noch einen Bruder? rief Wilhelm. Ja! verſetzte Natalie, und zwar eine ſehr luſtige, leichtfertige Natur, und da man ihn nicht abgehalten hatte in der Welt herum¬ zufahren, ſo weiß ich nicht, was aus dieſem loſen, lockern Weſen werden ſoll. Ich habe ihn ſeit langer Zeit nicht geſehen. Das ein¬ zige beruhigt mich, daß der Abbé, und über¬ haupt die Geſellſchaft meines Bruders, je¬ derzeit unterrichtet ſind, wo er ſich aufhält und was er treibt. Wilhelm war eben im Begriff über die ſonderbaren Meinungen ſowohl Nataliens

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/278>, abgerufen am 16.07.2024.