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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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und wird den Freund, hoffe ich, gut em¬
pfangen. Wilhelm folgte nicht ohne einiges
Widerstreben, er war tief gerührt von dem,
was er vernommen hatte, und fürchtete eine
leidenschaftliche Scene. Als er hineintrat,
ergab sich gerade das Gegentheil.

Mignon im langen weißen Frauenge¬
wande, theils mit lockigen, theils aufgebun¬
denen, reichen, braunen Haaren, saß, hatte
Felix auf dem Schoße und drückte ihn an
ihr Herz, sie sah völlig aus wie ein abge¬
schiedner Geist, und der Knabe wie das Le¬
ben selbst, es schien als wenn Himmel und
Erde sich umarmten. Sie reichte Wilhelmen
lächelnd die Hand, und sagte: ich danke
Dir, daß Du mir das Kind wieder bringst,
sie hatten ihn Gott weiß wie entführt, und
ich konnte nicht leben zeither. So lange
mein Herz auf der Erde noch was bedarf,
soll dieser die Lücke ausfüllen.

und wird den Freund, hoffe ich, gut em¬
pfangen. Wilhelm folgte nicht ohne einiges
Widerſtreben, er war tief gerührt von dem,
was er vernommen hatte, und fürchtete eine
leidenſchaftliche Scene. Als er hineintrat,
ergab ſich gerade das Gegentheil.

Mignon im langen weißen Frauenge¬
wande, theils mit lockigen, theils aufgebun¬
denen, reichen, braunen Haaren, ſaß, hatte
Felix auf dem Schoße und drückte ihn an
ihr Herz, ſie ſah völlig aus wie ein abge¬
ſchiedner Geiſt, und der Knabe wie das Le¬
ben ſelbſt, es ſchien als wenn Himmel und
Erde ſich umarmten. Sie reichte Wilhelmen
lächelnd die Hand, und ſagte: ich danke
Dir, daß Du mir das Kind wieder bringſt,
ſie hatten ihn Gott weiß wie entführt, und
ich konnte nicht leben zeither. So lange
mein Herz auf der Erde noch was bedarf,
ſoll dieſer die Lücke ausfüllen.

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[285/0289] und wird den Freund, hoffe ich, gut em¬ pfangen. Wilhelm folgte nicht ohne einiges Widerſtreben, er war tief gerührt von dem, was er vernommen hatte, und fürchtete eine leidenſchaftliche Scene. Als er hineintrat, ergab ſich gerade das Gegentheil. Mignon im langen weißen Frauenge¬ wande, theils mit lockigen, theils aufgebun¬ denen, reichen, braunen Haaren, ſaß, hatte Felix auf dem Schoße und drückte ihn an ihr Herz, ſie ſah völlig aus wie ein abge¬ ſchiedner Geiſt, und der Knabe wie das Le¬ ben ſelbſt, es ſchien als wenn Himmel und Erde ſich umarmten. Sie reichte Wilhelmen lächelnd die Hand, und ſagte: ich danke Dir, daß Du mir das Kind wieder bringſt, ſie hatten ihn Gott weiß wie entführt, und ich konnte nicht leben zeither. So lange mein Herz auf der Erde noch was bedarf, ſoll dieſer die Lücke ausfüllen.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/289>, abgerufen am 22.11.2024.