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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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es nöthig, ihn, sobald als möglich, von der
Gefahr zu unterrichten, in der er schwebte.

Er sah uns mit wilden, verachtenden
Blicken an. Spart eure unwahrscheinlichen
Mährchen! rief er aus, für Kinder und leicht¬
glaubige Thoren; mir werdet ihr Speraten
nicht vom Herzen reissen, sie ist mein. Ver¬
leugnet sogleich euer schreckliches Gespenst,
das mich nur vergebens ängstigen würde.
Sperata ist nicht meine Schwester, sie ist
mein Weib. Er beschrieb uns mit Entzücken,
wie ihn das himmlische Mädchen aus dem
Zustande der unnatürlichen Absonderung von
den Menschen in das wahre Leben geführt,
wie beyde Gemüther gleich beyden Kehlen
zusammen stimmten, und wie er alle seine
Leiden und Verirrungen segnete, weil sie
ihn von allen Frauen bis dahin entfernt ge¬
halten, und weil er nun ganz und gar
sich dem liebenswürdigsten Mädchen ergeben

es nöthig, ihn, ſobald als möglich, von der
Gefahr zu unterrichten, in der er ſchwebte.

Er ſah uns mit wilden, verachtenden
Blicken an. Spart eure unwahrſcheinlichen
Mährchen! rief er aus, für Kinder und leicht¬
glaubige Thoren; mir werdet ihr Speraten
nicht vom Herzen reiſſen, ſie iſt mein. Ver¬
leugnet ſogleich euer ſchreckliches Geſpenſt,
das mich nur vergebens ängſtigen würde.
Sperata iſt nicht meine Schweſter, ſie iſt
mein Weib. Er beſchrieb uns mit Entzücken,
wie ihn das himmliſche Mädchen aus dem
Zuſtande der unnatürlichen Abſonderung von
den Menſchen in das wahre Leben geführt,
wie beyde Gemüther gleich beyden Kehlen
zuſammen ſtimmten, und wie er alle ſeine
Leiden und Verirrungen ſegnete, weil ſie
ihn von allen Frauen bis dahin entfernt ge¬
halten, und weil er nun ganz und gar
ſich dem liebenswürdigſten Mädchen ergeben

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[434/0438] es nöthig, ihn, ſobald als möglich, von der Gefahr zu unterrichten, in der er ſchwebte. Er ſah uns mit wilden, verachtenden Blicken an. Spart eure unwahrſcheinlichen Mährchen! rief er aus, für Kinder und leicht¬ glaubige Thoren; mir werdet ihr Speraten nicht vom Herzen reiſſen, ſie iſt mein. Ver¬ leugnet ſogleich euer ſchreckliches Geſpenſt, das mich nur vergebens ängſtigen würde. Sperata iſt nicht meine Schweſter, ſie iſt mein Weib. Er beſchrieb uns mit Entzücken, wie ihn das himmliſche Mädchen aus dem Zuſtande der unnatürlichen Abſonderung von den Menſchen in das wahre Leben geführt, wie beyde Gemüther gleich beyden Kehlen zuſammen ſtimmten, und wie er alle ſeine Leiden und Verirrungen ſegnete, weil ſie ihn von allen Frauen bis dahin entfernt ge¬ halten, und weil er nun ganz und gar ſich dem liebenswürdigſten Mädchen ergeben

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/438>, abgerufen am 22.11.2024.