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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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verstehn; ich bedauerte ihn, daß er so schwach
gewesen war, auch nach seinem Tode unge¬
recht gegen mich zu seyn. Denn einige mei¬
ner Freunde wollten sogar behaupten, es
sey beynah nicht besser, als ob er mich ent¬
erbt hätte, und verlangten ich sollte das
Testament angreifen, wozu ich mich aber
nicht entschließen konnte. Ich verehrte das
Andenken meines Vaters zu sehr, ich ver¬
traute dem Schicksal, ich vertraute mir
selbst.

Ich hatte mit einer Dame in der Nach¬
barschaft, die große Güther besaß, immer in
gutem Verhältnisse gestanden, sie nahm mich
mit Vergnügen auf, und es ward mir leicht,
bald ihrer Haushaltung vorzustehn. Sie
lebte sehr regelmäßig und liebte die Ordnung
in allem, und ich half ihr treulich in dem
Kampf mit Verwalter und Gesinde. Ich
bin weder geizig noch mißgünstig, aber wir

verſtehn; ich bedauerte ihn, daß er ſo ſchwach
geweſen war, auch nach ſeinem Tode unge¬
recht gegen mich zu ſeyn. Denn einige mei¬
ner Freunde wollten ſogar behaupten, es
ſey beynah nicht beſſer, als ob er mich ent¬
erbt hätte, und verlangten ich ſollte das
Teſtament angreifen, wozu ich mich aber
nicht entſchließen konnte. Ich verehrte das
Andenken meines Vaters zu ſehr, ich ver¬
traute dem Schickſal, ich vertraute mir
ſelbſt.

Ich hatte mit einer Dame in der Nach¬
barſchaft, die große Güther beſaß, immer in
gutem Verhältniſſe geſtanden, ſie nahm mich
mit Vergnügen auf, und es ward mir leicht,
bald ihrer Haushaltung vorzuſtehn. Sie
lebte ſehr regelmäßig und liebte die Ordnung
in allem, und ich half ihr treulich in dem
Kampf mit Verwalter und Geſinde. Ich
bin weder geizig noch mißgünſtig, aber wir

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[86/0090] verſtehn; ich bedauerte ihn, daß er ſo ſchwach geweſen war, auch nach ſeinem Tode unge¬ recht gegen mich zu ſeyn. Denn einige mei¬ ner Freunde wollten ſogar behaupten, es ſey beynah nicht beſſer, als ob er mich ent¬ erbt hätte, und verlangten ich ſollte das Teſtament angreifen, wozu ich mich aber nicht entſchließen konnte. Ich verehrte das Andenken meines Vaters zu ſehr, ich ver¬ traute dem Schickſal, ich vertraute mir ſelbſt. Ich hatte mit einer Dame in der Nach¬ barſchaft, die große Güther beſaß, immer in gutem Verhältniſſe geſtanden, ſie nahm mich mit Vergnügen auf, und es ward mir leicht, bald ihrer Haushaltung vorzuſtehn. Sie lebte ſehr regelmäßig und liebte die Ordnung in allem, und ich half ihr treulich in dem Kampf mit Verwalter und Geſinde. Ich bin weder geizig noch mißgünſtig, aber wir

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/90>, abgerufen am 25.11.2024.