Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

puppen oder Haushälterinnen seyn sollten.
Lothario sprach wenig zu allem diesem; als
aber die Gesellschaft kleiner ward, sagte er
auch hierüber offen seine Meynung. Es ist
sonderbar, rief er aus, daß man es dem
Manne verargt, der eine Frau an die höchste
Stelle setzen will, die sie einzunehmen fähig
ist: und welche ist höher als das Regiment
des Hauses? Wenn der Mann sich mit
äußern Verhältnissen quält, wenn er die
Besitzthümer herbey schaffen und beschützen
muß, wenn er sogar an der Staatsverwal¬
tung Antheil nimmt, überall von Umstän¬
den abhängt, und, ich möchte sagen, nichts
regiert, indem er zu regieren glaubt, immer
nur politisch seyn muß, wo er gern vernünf¬
tig wäre, versteckt, wo er offen, falsch, wo
er redlich zu seyn wünschte, wenn er um des
Zieles willen, das er nie erreicht, das schönste
Ziel, die Harmonie mit sich selbst, in jedem

puppen oder Haushälterinnen ſeyn ſollten.
Lothario ſprach wenig zu allem dieſem; als
aber die Geſellſchaft kleiner ward, ſagte er
auch hierüber offen ſeine Meynung. Es iſt
ſonderbar, rief er aus, daß man es dem
Manne verargt, der eine Frau an die höchſte
Stelle ſetzen will, die ſie einzunehmen fähig
iſt: und welche iſt höher als das Regiment
des Hauſes? Wenn der Mann ſich mit
äußern Verhältniſſen quält, wenn er die
Beſitzthümer herbey ſchaffen und beſchützen
muß, wenn er ſogar an der Staatsverwal¬
tung Antheil nimmt, überall von Umſtän¬
den abhängt, und, ich möchte ſagen, nichts
regiert, indem er zu regieren glaubt, immer
nur politiſch ſeyn muß, wo er gern vernünf¬
tig wäre, verſteckt, wo er offen, falſch, wo
er redlich zu ſeyn wünſchte, wenn er um des
Zieles willen, das er nie erreicht, das ſchönſte
Ziel, die Harmonie mit ſich ſelbſt, in jedem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0094" n="90"/>
puppen oder Haushälterinnen &#x017F;eyn &#x017F;ollten.<lb/>
Lothario &#x017F;prach wenig zu allem die&#x017F;em; als<lb/>
aber die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft kleiner ward, &#x017F;agte er<lb/>
auch hierüber offen &#x017F;eine Meynung. Es i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;onderbar, rief er aus, daß man es dem<lb/>
Manne verargt, der eine Frau an die höch&#x017F;te<lb/>
Stelle &#x017F;etzen will, die &#x017F;ie einzunehmen fähig<lb/>
i&#x017F;t: und welche i&#x017F;t höher als das Regiment<lb/>
des Hau&#x017F;es? Wenn der Mann &#x017F;ich mit<lb/>
äußern Verhältni&#x017F;&#x017F;en quält, wenn er die<lb/>
Be&#x017F;itzthümer herbey &#x017F;chaffen und be&#x017F;chützen<lb/>
muß, wenn er &#x017F;ogar an der Staatsverwal¬<lb/>
tung Antheil nimmt, überall von Um&#x017F;tän¬<lb/>
den abhängt, und, ich möchte &#x017F;agen, nichts<lb/>
regiert, indem er zu regieren glaubt, immer<lb/>
nur politi&#x017F;ch &#x017F;eyn muß, wo er gern vernünf¬<lb/>
tig wäre, ver&#x017F;teckt, wo er offen, fal&#x017F;ch, wo<lb/>
er redlich zu &#x017F;eyn wün&#x017F;chte, wenn er um des<lb/>
Zieles willen, das er nie erreicht, das &#x017F;chön&#x017F;te<lb/>
Ziel, die Harmonie mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, in jedem<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0094] puppen oder Haushälterinnen ſeyn ſollten. Lothario ſprach wenig zu allem dieſem; als aber die Geſellſchaft kleiner ward, ſagte er auch hierüber offen ſeine Meynung. Es iſt ſonderbar, rief er aus, daß man es dem Manne verargt, der eine Frau an die höchſte Stelle ſetzen will, die ſie einzunehmen fähig iſt: und welche iſt höher als das Regiment des Hauſes? Wenn der Mann ſich mit äußern Verhältniſſen quält, wenn er die Beſitzthümer herbey ſchaffen und beſchützen muß, wenn er ſogar an der Staatsverwal¬ tung Antheil nimmt, überall von Umſtän¬ den abhängt, und, ich möchte ſagen, nichts regiert, indem er zu regieren glaubt, immer nur politiſch ſeyn muß, wo er gern vernünf¬ tig wäre, verſteckt, wo er offen, falſch, wo er redlich zu ſeyn wünſchte, wenn er um des Zieles willen, das er nie erreicht, das ſchönſte Ziel, die Harmonie mit ſich ſelbſt, in jedem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/94
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/94>, abgerufen am 25.11.2024.