Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die neue Melusine. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Als der Abend herbeikam und die Freunde in einer weitumherschauenden Laube saßen, trat eine ansehnliche Figur auf die Schwelle, welche unser Freund sogleich für den Barbier von heute früh erkannte. Auf einen tiefen, stummen Bückling des Mannes erwiderte Lenardo: Ihr kommt, wie immer, sehr gelegen und werdet nicht säumen, uns mit Eurem Talent zu erfreuen. -- Ich kann Ihnen wohl, fuhr er zu Wilhelmen gewendet fort, Einiges von der Gesellschaft erzählen, deren Band zu sein ich mich rühmen darf. Niemand tritt in unsern Kreis, als wer gewisse Talente aufzuweisen hat, die zum Nutzen oder Vergnügen einer jeden Gesellschaft dienen würden. Dieser Mann ist ein derber Wundarzt, der in bedenklichen Fällen, wo Entschluß und körperliche Kraft gefordert wird, seinem Meister trefflich an der Seite zu stehen bereit ist. Was er als Bartkünstler leistet, davon können Sie ihm selbst ein Zeugniß geben. Hiedurch ist er uns eben so nöthig als willkommen. Da nun aber diese Beschäftigung gewöhnlich eine große und oft lästige Geschwätzigkeit mit sich führt, so hat er sich

Als der Abend herbeikam und die Freunde in einer weitumherschauenden Laube saßen, trat eine ansehnliche Figur auf die Schwelle, welche unser Freund sogleich für den Barbier von heute früh erkannte. Auf einen tiefen, stummen Bückling des Mannes erwiderte Lenardo: Ihr kommt, wie immer, sehr gelegen und werdet nicht säumen, uns mit Eurem Talent zu erfreuen. — Ich kann Ihnen wohl, fuhr er zu Wilhelmen gewendet fort, Einiges von der Gesellschaft erzählen, deren Band zu sein ich mich rühmen darf. Niemand tritt in unsern Kreis, als wer gewisse Talente aufzuweisen hat, die zum Nutzen oder Vergnügen einer jeden Gesellschaft dienen würden. Dieser Mann ist ein derber Wundarzt, der in bedenklichen Fällen, wo Entschluß und körperliche Kraft gefordert wird, seinem Meister trefflich an der Seite zu stehen bereit ist. Was er als Bartkünstler leistet, davon können Sie ihm selbst ein Zeugniß geben. Hiedurch ist er uns eben so nöthig als willkommen. Da nun aber diese Beschäftigung gewöhnlich eine große und oft lästige Geschwätzigkeit mit sich führt, so hat er sich

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface">
        <pb facs="#f0011"/>
      </div>
    </front>
    <body>
      <div type="chapter" n="0">
        <p>Als der Abend herbeikam und die Freunde in einer weitumherschauenden Laube saßen,                trat eine ansehnliche Figur auf die Schwelle, welche unser Freund sogleich für den                Barbier von heute früh erkannte. Auf einen tiefen, stummen Bückling des Mannes                erwiderte Lenardo: Ihr kommt, wie immer, sehr gelegen und werdet nicht säumen, uns                mit Eurem Talent zu erfreuen. &#x2014; Ich kann Ihnen wohl, fuhr er zu Wilhelmen gewendet                fort, Einiges von der Gesellschaft erzählen, deren Band zu sein ich mich rühmen darf.                Niemand tritt in unsern Kreis, als wer gewisse Talente aufzuweisen hat, die zum                Nutzen oder Vergnügen einer jeden Gesellschaft dienen würden. Dieser Mann ist ein                derber Wundarzt, der in bedenklichen Fällen, wo Entschluß und körperliche Kraft                gefordert wird, seinem Meister trefflich an der Seite zu stehen bereit ist. Was er                als Bartkünstler leistet, davon können Sie ihm selbst ein Zeugniß geben. Hiedurch ist                er uns eben so nöthig als willkommen. Da nun aber diese Beschäftigung gewöhnlich eine                große und oft lästige Geschwätzigkeit mit sich führt, so hat er sich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0011] Als der Abend herbeikam und die Freunde in einer weitumherschauenden Laube saßen, trat eine ansehnliche Figur auf die Schwelle, welche unser Freund sogleich für den Barbier von heute früh erkannte. Auf einen tiefen, stummen Bückling des Mannes erwiderte Lenardo: Ihr kommt, wie immer, sehr gelegen und werdet nicht säumen, uns mit Eurem Talent zu erfreuen. — Ich kann Ihnen wohl, fuhr er zu Wilhelmen gewendet fort, Einiges von der Gesellschaft erzählen, deren Band zu sein ich mich rühmen darf. Niemand tritt in unsern Kreis, als wer gewisse Talente aufzuweisen hat, die zum Nutzen oder Vergnügen einer jeden Gesellschaft dienen würden. Dieser Mann ist ein derber Wundarzt, der in bedenklichen Fällen, wo Entschluß und körperliche Kraft gefordert wird, seinem Meister trefflich an der Seite zu stehen bereit ist. Was er als Bartkünstler leistet, davon können Sie ihm selbst ein Zeugniß geben. Hiedurch ist er uns eben so nöthig als willkommen. Da nun aber diese Beschäftigung gewöhnlich eine große und oft lästige Geschwätzigkeit mit sich führt, so hat er sich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:38:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:38:58Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_melusine_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_melusine_1910/11
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die neue Melusine. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_melusine_1910/11>, abgerufen am 03.12.2024.