Goethe, Johann Wolfgang von: Reinecke Fuchs. In zwölf Gesängen. Berlin, 1794 (= Goethe's Neue Schriften, Bd. 2).Und nun war der Segen gelesen, da gab man ihm weiter Ränzel und Stab, der Pilger war fertig; so log er die Wallfahrt. Falsche Thränen liefen dem Schelmen die Wangen herunter, Und benetzten den Bart, als fühlt' er die schmerzlichste Reue. Freylich schmerzt es ihn auch, daß er nicht alle zusammen, Wie sie waren, ins Unglück gebracht, und drey nur geschändet. Doch er stand und bat, sie möchten alle ge- treulich Für ihn beten, so gut sie vermöchten. Er machte nun Anstalt Fort zu eilen, er fühlte sich schuldig, und hat- te zu fürchten. Reinecke, sagte der König: ihr seyd mir so ei- lig! Warum das ? -- Und nun war der Segen gelesen, da gab man ihm weiter Raͤnzel und Stab, der Pilger war fertig; so log er die Wallfahrt. Falsche Thraͤnen liefen dem Schelmen die Wangen herunter, Und benetzten den Bart, als fuͤhlt' er die schmerzlichste Reue. Freylich schmerzt es ihn auch, daß er nicht alle zusammen, Wie sie waren, ins Ungluͤck gebracht, und drey nur geschaͤndet. Doch er stand und bat, sie moͤchten alle ge- treulich Fuͤr ihn beten, so gut sie vermoͤchten. Er machte nun Anstalt Fort zu eilen, er fuͤhlte sich schuldig, und hat- te zu fuͤrchten. Reinecke, sagte der Koͤnig: ihr seyd mir so ei- lig! Warum das ? — <TEI> <text> <body> <div> <div type="poem"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0212" n="204"/> <lg n="13"> <l>Und nun war der Segen gelesen, da gab<lb/><space dim="horizontal"/>man ihm weiter</l><lb/> <l>Raͤnzel und Stab, der Pilger war fertig; so<lb/><space dim="horizontal"/>log er die Wallfahrt.</l><lb/> <l>Falsche Thraͤnen liefen dem Schelmen die<lb/><space dim="horizontal"/>Wangen herunter,</l><lb/> <l>Und benetzten den Bart, als fuͤhlt' er die<lb/><space dim="horizontal"/>schmerzlichste Reue.</l><lb/> <l>Freylich schmerzt es ihn auch, daß er nicht<lb/><space dim="horizontal"/>alle zusammen,</l><lb/> <l>Wie sie waren, ins Ungluͤck gebracht, und drey<lb/><space dim="horizontal"/>nur geschaͤndet.</l><lb/> <l>Doch er stand und bat, sie moͤchten alle ge-<lb/><space dim="horizontal"/>treulich</l><lb/> <l>Fuͤr ihn beten, so gut sie vermoͤchten. Er<lb/><space dim="horizontal"/>machte nun Anstalt</l><lb/> <l>Fort zu eilen, er fuͤhlte sich schuldig, und hat-<lb/><space dim="horizontal"/>te zu fuͤrchten.</l><lb/> <l>Reinecke, sagte der Koͤnig: ihr seyd mir so ei-<lb/><space dim="horizontal"/>lig! Warum das ? —</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [204/0212]
Und nun war der Segen gelesen, da gab
man ihm weiter
Raͤnzel und Stab, der Pilger war fertig; so
log er die Wallfahrt.
Falsche Thraͤnen liefen dem Schelmen die
Wangen herunter,
Und benetzten den Bart, als fuͤhlt' er die
schmerzlichste Reue.
Freylich schmerzt es ihn auch, daß er nicht
alle zusammen,
Wie sie waren, ins Ungluͤck gebracht, und drey
nur geschaͤndet.
Doch er stand und bat, sie moͤchten alle ge-
treulich
Fuͤr ihn beten, so gut sie vermoͤchten. Er
machte nun Anstalt
Fort zu eilen, er fuͤhlte sich schuldig, und hat-
te zu fuͤrchten.
Reinecke, sagte der Koͤnig: ihr seyd mir so ei-
lig! Warum das ? —
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