Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite
Ein Schauspiel.
Tasso.
Mir bleibt es unbegreiflich wie es ist;
Zwar unbegreiflich nicht, ich bin kein Kind;
Ich meine fast, ich müßt' es denken können.
Auf einmal winkt mich eine Klarheit an,
Doch augenblicklich schließt sich's wieder zu,
Ich höre nur mein Urtheil, beuge mich.
Das sind zu viel vergebne Worte schon!
Gewöhne dich von nun an zu gehorchen;
Ohnmächt'ger! du vergaßest wo du standst;
Der Götter Saal schien dir auf gleicher
Erde,
Nun überwältigt dich der jähe Fall,
Gehorche gern, denn es geziemt dem Manne,
Auch willig das Beschwerliche zu thun.
Hier nimm den Degen erst, den du mir gabst,
Als ich dem Cardinal nach Frankreich folgte,
Ich führt' ihn nicht mit Ruhm, doch nicht
mit Schande,
Auch heute nicht. Der hoffnungsvollen
Gabe
Entäußr' ich mich mit tief gerührtem Herzen.
Ein Schauſpiel.
Taſſo.
Mir bleibt es unbegreiflich wie es iſt;
Zwar unbegreiflich nicht, ich bin kein Kind;
Ich meine faſt, ich müßt’ es denken können.
Auf einmal winkt mich eine Klarheit an,
Doch augenblicklich ſchließt ſich’s wieder zu,
Ich höre nur mein Urtheil, beuge mich.
Das ſind zu viel vergebne Worte ſchon!
Gewöhne dich von nun an zu gehorchen;
Ohnmächt’ger! du vergaßeſt wo du ſtandſt;
Der Götter Saal ſchien dir auf gleicher
Erde,
Nun überwältigt dich der jähe Fall,
Gehorche gern, denn es geziemt dem Manne,
Auch willig das Beſchwerliche zu thun.
Hier nimm den Degen erſt, den du mir gabſt,
Als ich dem Cardinal nach Frankreich folgte,
Ich führt’ ihn nicht mit Ruhm, doch nicht
mit Schande,
Auch heute nicht. Der hoffnungsvollen
Gabe
Entäußr’ ich mich mit tief gerührtem Herzen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0109" n="101"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Schau&#x017F;piel</hi>.</fw><lb/>
            <sp who="#TAS">
              <speaker><hi rendition="#g">Ta&#x017F;&#x017F;o</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Mir bleibt es unbegreiflich wie es i&#x017F;t;<lb/>
Zwar unbegreiflich nicht, ich bin kein Kind;<lb/>
Ich meine fa&#x017F;t, ich müßt&#x2019; es denken können.<lb/>
Auf einmal winkt mich eine Klarheit an,<lb/>
Doch augenblicklich &#x017F;chließt &#x017F;ich&#x2019;s wieder zu,<lb/>
Ich höre nur mein Urtheil, beuge mich.<lb/>
Das &#x017F;ind zu viel vergebne Worte &#x017F;chon!<lb/>
Gewöhne dich von nun an zu gehorchen;<lb/>
Ohnmächt&#x2019;ger! du vergaße&#x017F;t wo du &#x017F;tand&#x017F;t;<lb/>
Der Götter Saal &#x017F;chien dir auf gleicher<lb/>
Erde,<lb/>
Nun überwältigt dich der jähe Fall,<lb/>
Gehorche gern, denn es geziemt dem Manne,<lb/>
Auch willig das Be&#x017F;chwerliche zu thun.<lb/>
Hier nimm den Degen er&#x017F;t, den du mir gab&#x017F;t,<lb/>
Als ich dem Cardinal nach Frankreich folgte,<lb/>
Ich führt&#x2019; ihn nicht mit Ruhm, doch nicht<lb/>
mit Schande,<lb/>
Auch heute nicht. Der hoffnungsvollen<lb/>
Gabe<lb/>
Entäußr&#x2019; ich mich mit tief gerührtem Herzen.</p>
            </sp><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0109] Ein Schauſpiel. Taſſo. Mir bleibt es unbegreiflich wie es iſt; Zwar unbegreiflich nicht, ich bin kein Kind; Ich meine faſt, ich müßt’ es denken können. Auf einmal winkt mich eine Klarheit an, Doch augenblicklich ſchließt ſich’s wieder zu, Ich höre nur mein Urtheil, beuge mich. Das ſind zu viel vergebne Worte ſchon! Gewöhne dich von nun an zu gehorchen; Ohnmächt’ger! du vergaßeſt wo du ſtandſt; Der Götter Saal ſchien dir auf gleicher Erde, Nun überwältigt dich der jähe Fall, Gehorche gern, denn es geziemt dem Manne, Auch willig das Beſchwerliche zu thun. Hier nimm den Degen erſt, den du mir gabſt, Als ich dem Cardinal nach Frankreich folgte, Ich führt’ ihn nicht mit Ruhm, doch nicht mit Schande, Auch heute nicht. Der hoffnungsvollen Gabe Entäußr’ ich mich mit tief gerührtem Herzen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_torquato_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_torquato_1790/109
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_torquato_1790/109>, abgerufen am 23.11.2024.