Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Torquato Tasso Bey meinem Bruder viel, und wird den StreitNicht unserm Freund und uns gedenken wollen. Leonore. Ein Wort von dir, Prinzessinn, gälte mehr. Prinzessinn. Ich kann, du weißt es, meine Freundinn, nicht Wie's meine Schwester von Urbino kann, Für mich und für die Meinen was erbitten. Ich lebe gern so stille vor mich hin, Und nehme von dem Bruder dankbar an, Was er mir immer geben kann und will. Ich habe sonst darüber manchen Vorwurf Mir selbst gemacht, nun hab' ich überwunden. Es schalt mich eine Freundinn oft darum: Du bist uneigennützig, sagte sie, Das ist recht schön; allein du bist's so sehr, Daß du auch das Bedürfniß deiner Freunde Nicht recht empfinden kannst. Ich laß' es gehn, Und muß denn eben diesen Vorwurf tragen. Um desto mehr erfreut es mich, daß ich Torquato Taſſo Bey meinem Bruder viel, und wird den StreitNicht unſerm Freund und uns gedenken wollen. Leonore. Ein Wort von dir, Prinzeſſinn, gälte mehr. Prinzeſſinn. Ich kann, du weißt es, meine Freundinn, nicht Wie’s meine Schweſter von Urbino kann, Für mich und für die Meinen was erbitten. Ich lebe gern ſo ſtille vor mich hin, Und nehme von dem Bruder dankbar an, Was er mir immer geben kann und will. Ich habe ſonſt darüber manchen Vorwurf Mir ſelbſt gemacht, nun hab’ ich überwunden. Es ſchalt mich eine Freundinn oft darum: Du biſt uneigennützig, ſagte ſie, Das iſt recht ſchön; allein du biſt’s ſo ſehr, Daß du auch das Bedürfniß deiner Freunde Nicht recht empfinden kannſt. Ich laß’ es gehn, Und muß denn eben dieſen Vorwurf tragen. Um deſto mehr erfreut es mich, daß ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#PRI"> <p><pb facs="#f0122" n="114"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Torquato Taſſo</hi></fw><lb/> Bey meinem Bruder viel, und wird den Streit<lb/> Nicht unſerm Freund und uns gedenken wollen.</p> </sp><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker><hi rendition="#g">Leonore</hi>.</speaker><lb/> <p>Ein Wort von dir, Prinzeſſinn, gälte mehr.</p> </sp><lb/> <sp who="#PRI"> <speaker><hi rendition="#g">Prinzeſſinn</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich kann, du weißt es, meine Freundinn,<lb/> nicht<lb/> Wie’s meine Schweſter von Urbino kann,<lb/> Für mich und für die Meinen was erbitten.<lb/> Ich lebe gern ſo ſtille vor mich hin,<lb/> Und nehme von dem Bruder dankbar an,<lb/> Was er mir immer geben kann und will.<lb/> Ich habe ſonſt darüber manchen Vorwurf<lb/> Mir ſelbſt gemacht, nun hab’ ich überwunden.<lb/> Es ſchalt mich eine Freundinn oft darum:<lb/> Du biſt uneigennützig, ſagte ſie,<lb/> Das iſt recht ſchön; allein du biſt’s ſo ſehr,<lb/> Daß du auch das Bedürfniß deiner Freunde<lb/> Nicht recht empfinden kannſt. Ich laß’ es gehn,<lb/> Und muß denn eben dieſen Vorwurf tragen.<lb/> Um deſto mehr erfreut es mich, daß ich<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0122]
Torquato Taſſo
Bey meinem Bruder viel, und wird den Streit
Nicht unſerm Freund und uns gedenken wollen.
Leonore.
Ein Wort von dir, Prinzeſſinn, gälte mehr.
Prinzeſſinn.
Ich kann, du weißt es, meine Freundinn,
nicht
Wie’s meine Schweſter von Urbino kann,
Für mich und für die Meinen was erbitten.
Ich lebe gern ſo ſtille vor mich hin,
Und nehme von dem Bruder dankbar an,
Was er mir immer geben kann und will.
Ich habe ſonſt darüber manchen Vorwurf
Mir ſelbſt gemacht, nun hab’ ich überwunden.
Es ſchalt mich eine Freundinn oft darum:
Du biſt uneigennützig, ſagte ſie,
Das iſt recht ſchön; allein du biſt’s ſo ſehr,
Daß du auch das Bedürfniß deiner Freunde
Nicht recht empfinden kannſt. Ich laß’ es gehn,
Und muß denn eben dieſen Vorwurf tragen.
Um deſto mehr erfreut es mich, daß ich
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