Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Torquato Tasso Man soll mich halten, meint er; habedoch Ein schön Verdienst mir die Natur geschenkt, Doch leider habe sie mit manchen Schwächen Die hohe Gabe wieder schlimm begleitet, Mit ungebundnem Stolz, mit übertriebner Empfindlichkeit und eignem düstern Sinn. Es sey nicht anders, einmal habe nun Den Einen Mann das Schicksal so gebildet, Nun müsse man ihn nehmen wie er sey, Ihn dulden, tragen und vielleicht an ihm Was Freude bringen kann am guten Tage Als unerwarteten Gewinst genießen, Im übrigen, wie er geboren sey, So müsse man ihn leben, sterben lassen. Erkenn' ich noch Alphonsens festen Sinn? Der Feinden trotzt und Freunde treulich schützt, Erkenn' ich ihn, wie er nun mir begegnet? Ja wohl erkenn' ich ganz mein Unglück nun! Torquato Taſſo Man ſoll mich halten, meint er; habedoch Ein ſchön Verdienſt mir die Natur geſchenkt, Doch leider habe ſie mit manchen Schwächen Die hohe Gabe wieder ſchlimm begleitet, Mit ungebundnem Stolz, mit übertriebner Empfindlichkeit und eignem düſtern Sinn. Es ſey nicht anders, einmal habe nun Den Einen Mann das Schickſal ſo gebildet, Nun müſſe man ihn nehmen wie er ſey, Ihn dulden, tragen und vielleicht an ihm Was Freude bringen kann am guten Tage Als unerwarteten Gewinſt genießen, Im übrigen, wie er geboren ſey, So müſſe man ihn leben, ſterben laſſen. Erkenn’ ich noch Alphonſens feſten Sinn? Der Feinden trotzt und Freunde treulich ſchützt, Erkenn’ ich ihn, wie er nun mir begegnet? Ja wohl erkenn’ ich ganz mein Unglück nun! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#TAS"> <pb facs="#f0186" n="178"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Torquato Taſſo</hi> </fw><lb/> <p>Man ſoll mich halten, meint er; habe<lb/> doch<lb/> Ein ſchön Verdienſt mir die Natur geſchenkt,<lb/> Doch leider habe ſie mit manchen Schwächen<lb/> Die hohe Gabe wieder ſchlimm begleitet,<lb/> Mit ungebundnem Stolz, mit übertriebner<lb/> Empfindlichkeit und eignem düſtern Sinn.<lb/> Es ſey nicht anders, einmal habe nun<lb/> Den Einen Mann das Schickſal ſo gebildet,<lb/> Nun müſſe man ihn nehmen wie er ſey,<lb/> Ihn dulden, tragen und vielleicht an ihm<lb/> Was Freude bringen kann am guten Tage<lb/> Als unerwarteten Gewinſt genießen,<lb/> Im übrigen, wie er geboren ſey,<lb/> So müſſe man ihn leben, ſterben laſſen.</p><lb/> <p>Erkenn’ ich noch Alphonſens feſten Sinn?<lb/> Der Feinden trotzt und Freunde treulich<lb/> ſchützt,<lb/> Erkenn’ ich ihn, wie er nun mir begegnet?<lb/> Ja wohl erkenn’ ich ganz mein Unglück nun!<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [178/0186]
Torquato Taſſo
Man ſoll mich halten, meint er; habe
doch
Ein ſchön Verdienſt mir die Natur geſchenkt,
Doch leider habe ſie mit manchen Schwächen
Die hohe Gabe wieder ſchlimm begleitet,
Mit ungebundnem Stolz, mit übertriebner
Empfindlichkeit und eignem düſtern Sinn.
Es ſey nicht anders, einmal habe nun
Den Einen Mann das Schickſal ſo gebildet,
Nun müſſe man ihn nehmen wie er ſey,
Ihn dulden, tragen und vielleicht an ihm
Was Freude bringen kann am guten Tage
Als unerwarteten Gewinſt genießen,
Im übrigen, wie er geboren ſey,
So müſſe man ihn leben, ſterben laſſen.
Erkenn’ ich noch Alphonſens feſten Sinn?
Der Feinden trotzt und Freunde treulich
ſchützt,
Erkenn’ ich ihn, wie er nun mir begegnet?
Ja wohl erkenn’ ich ganz mein Unglück nun!
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