Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Ein Schauspiel. Tasso. Tadle mich! Doch sage mir hernach, wo ist der Mann? Die Frau? mit der ich wie mit dir Aus freyem Busen wagen darf zu reden. Prinzessinn. Du solltest meinem Bruder dich vertraun. Tasso. Er ist mein Fürst! -- Doch glaube nicht, daß mir Der Freyheit wilder Trieb den Busen blähe. Der Mensch ist nicht geboren frey zu seyn, Und für den Edeln ist kein schöner Glück, Als einen Fürsten, den er ehrt, zu dienen. Und so ist er mein Herr, und ich empfinde Den ganzen Umfang dieses großen Worts. Nun muß ich schweigen lernen wenn er spricht, Und thun wenn er gebiethet, mögen auch Verstand und Herz ihm lebhaft widerspre- chen. Ein Schauſpiel. Taſſo. Tadle mich! Doch ſage mir hernach, wo iſt der Mann? Die Frau? mit der ich wie mit dir Aus freyem Buſen wagen darf zu reden. Prinzeſſinn. Du ſollteſt meinem Bruder dich vertraun. Taſſo. Er iſt mein Fürſt! — Doch glaube nicht, daß mir Der Freyheit wilder Trieb den Buſen blähe. Der Menſch iſt nicht geboren frey zu ſeyn, Und für den Edeln iſt kein ſchöner Glück, Als einen Fürſten, den er ehrt, zu dienen. Und ſo iſt er mein Herr, und ich empfinde Den ganzen Umfang dieſes großen Worts. Nun muß ich ſchweigen lernen wenn er ſpricht, Und thun wenn er gebiethet, mögen auch Verſtand und Herz ihm lebhaft widerſpre- chen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0069" n="61"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Schauſpiel</hi>.</fw><lb/> <sp who="#TAS"> <speaker><hi rendition="#g">Taſſo</hi>.</speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Tadle mich!</hi><lb/> Doch ſage mir hernach, wo iſt der Mann?<lb/> Die Frau? mit der ich wie mit dir<lb/> Aus freyem Buſen wagen darf zu reden.</p> </sp><lb/> <sp who="#PRI"> <speaker><hi rendition="#g">Prinzeſſinn</hi>.</speaker><lb/> <p>Du ſollteſt meinem Bruder dich vertraun.</p> </sp><lb/> <sp who="#TAS"> <speaker><hi rendition="#g">Taſſo</hi>.</speaker><lb/> <p>Er iſt mein Fürſt! — Doch glaube nicht, daß<lb/> mir<lb/> Der Freyheit wilder Trieb den Buſen blähe.<lb/> Der Menſch iſt nicht geboren frey zu ſeyn,<lb/> Und für den Edeln iſt kein ſchöner Glück,<lb/> Als einen Fürſten, den er ehrt, zu dienen.<lb/> Und ſo iſt er mein Herr, und ich empfinde<lb/> Den ganzen Umfang dieſes großen Worts.<lb/> Nun muß ich ſchweigen lernen wenn er ſpricht,<lb/> Und thun wenn er gebiethet, mögen auch<lb/> Verſtand und Herz ihm lebhaft widerſpre-<lb/> chen.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0069]
Ein Schauſpiel.
Taſſo.
Tadle mich!
Doch ſage mir hernach, wo iſt der Mann?
Die Frau? mit der ich wie mit dir
Aus freyem Buſen wagen darf zu reden.
Prinzeſſinn.
Du ſollteſt meinem Bruder dich vertraun.
Taſſo.
Er iſt mein Fürſt! — Doch glaube nicht, daß
mir
Der Freyheit wilder Trieb den Buſen blähe.
Der Menſch iſt nicht geboren frey zu ſeyn,
Und für den Edeln iſt kein ſchöner Glück,
Als einen Fürſten, den er ehrt, zu dienen.
Und ſo iſt er mein Herr, und ich empfinde
Den ganzen Umfang dieſes großen Worts.
Nun muß ich ſchweigen lernen wenn er ſpricht,
Und thun wenn er gebiethet, mögen auch
Verſtand und Herz ihm lebhaft widerſpre-
chen.
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