Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Ein Schauspiel. Bedurft' es kaum, leicht hab' ich dich erkannt:Ich weiß, daß du das Gute willst und schaffst. Dein eigen Schicksal läßt dich unbesorgt, An Andre denkst du, Andern stehst du bey, Und auf des Lebens leicht bewegter Woge Bleibt dir ein stetes Herz. So seh' ich dich: Und was wär' ich, ging ich dir nicht entge- gen? Sucht' ich begierig nicht auch einen Theil An dem verschloßnen Schatz, den du bewahrst? Ich weiß, es reut dich nicht, wenn du dich öffnest; Ich weiß, du bist mein Freund, wenn du mich kennst: Und eines solchen Freunds bedurft' ich lange. Ich schäme mich der Unerfahrenheit Und meiner Jugend nicht. Still ruhet noch Der Zukunft goldne Wolke mir um's Haupt. O nimm mich, edler Mann, an deine Brust, Und weihe mich, den Raschen, Unerfahrnen, Zum mäßigen Gebrauch des Lebens ein. Goethe's W. 6. B. F
Ein Schauſpiel. Bedurft’ es kaum, leicht hab’ ich dich erkannt:Ich weiß, daß du das Gute willſt und ſchaffſt. Dein eigen Schickſal läßt dich unbeſorgt, An Andre denkſt du, Andern ſtehſt du bey, Und auf des Lebens leicht bewegter Woge Bleibt dir ein ſtetes Herz. So ſeh’ ich dich: Und was wär’ ich, ging ich dir nicht entge- gen? Sucht’ ich begierig nicht auch einen Theil An dem verſchloßnen Schatz, den du bewahrſt? Ich weiß, es reut dich nicht, wenn du dich öffneſt; Ich weiß, du biſt mein Freund, wenn du mich kennſt: Und eines ſolchen Freunds bedurft’ ich lange. Ich ſchäme mich der Unerfahrenheit Und meiner Jugend nicht. Still ruhet noch Der Zukunft goldne Wolke mir um’s Haupt. O nimm mich, edler Mann, an deine Bruſt, Und weihe mich, den Raſchen, Unerfahrnen, Zum mäßigen Gebrauch des Lebens ein. Goethe’s W. 6. B. F
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Ein Schauſpiel.
Bedurft’ es kaum, leicht hab’ ich dich erkannt:
Ich weiß, daß du das Gute willſt und ſchaffſt.
Dein eigen Schickſal läßt dich unbeſorgt,
An Andre denkſt du, Andern ſtehſt du bey,
Und auf des Lebens leicht bewegter Woge
Bleibt dir ein ſtetes Herz. So ſeh’ ich dich:
Und was wär’ ich, ging ich dir nicht entge-
gen?
Sucht’ ich begierig nicht auch einen Theil
An dem verſchloßnen Schatz, den du bewahrſt?
Ich weiß, es reut dich nicht, wenn du dich
öffneſt;
Ich weiß, du biſt mein Freund, wenn du mich
kennſt:
Und eines ſolchen Freunds bedurft’ ich lange.
Ich ſchäme mich der Unerfahrenheit
Und meiner Jugend nicht. Still ruhet noch
Der Zukunft goldne Wolke mir um’s Haupt.
O nimm mich, edler Mann, an deine Bruſt,
Und weihe mich, den Raſchen, Unerfahrnen,
Zum mäßigen Gebrauch des Lebens ein.
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