Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Ein Schauspiel. Tasso. Du brauchst nicht deutlicher zu seyn. Es ist genug! Ich blicke tief dir in das Herz und kenne Für's ganze Leben dich. O kennte so Dich meine Fürstinn auch! Verschwende nicht Die Pfeile deiner Augen, deiner Zunge! Du richtest sie vergebens nach dem Kranze, Dem unverwelklichen, auf meinem Haupt. Sey erst so groß, mir ihn nicht zu beneiden! Dann darfst du mir vielleicht ihn streitig machen. Ich acht' ihn heilig und das höchste Gut: Doch zeige mir den Mann, der das erreicht, Wornach ich strebe, zeige mir den Helden, Von dem mir die Geschichten nur erzählten; Den Dichter stell' mir vor, der sich Homeren, Virgilen sich vergleichen darf, ja, was Noch mehr gesagt ist, zeige mir den Mann, Der dreyfach diesen Lohn verdiente, den Die schöne Krone dreyfach mehr als mich Beschämte: dann sollst du mich knieend sehn Ein Schauſpiel. Taſſo. Du brauchſt nicht deutlicher zu ſeyn. Es iſt genug! Ich blicke tief dir in das Herz und kenne Für’s ganze Leben dich. O kennte ſo Dich meine Fürſtinn auch! Verſchwende nicht Die Pfeile deiner Augen, deiner Zunge! Du richteſt ſie vergebens nach dem Kranze, Dem unverwelklichen, auf meinem Haupt. Sey erſt ſo groß, mir ihn nicht zu beneiden! Dann darfſt du mir vielleicht ihn ſtreitig machen. Ich acht’ ihn heilig und das höchſte Gut: Doch zeige mir den Mann, der das erreicht, Wornach ich ſtrebe, zeige mir den Helden, Von dem mir die Geſchichten nur erzählten; Den Dichter ſtell’ mir vor, der ſich Homeren, Virgilen ſich vergleichen darf, ja, was Noch mehr geſagt iſt, zeige mir den Mann, Der dreyfach dieſen Lohn verdiente, den Die ſchöne Krone dreyfach mehr als mich Beſchämte: dann ſollſt du mich knieend ſehn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0093" n="85"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Schauſpiel</hi>.</fw><lb/> <sp who="#TAS"> <speaker><hi rendition="#g">Taſſo</hi>.</speaker><lb/> <p>Du brauchſt nicht deutlicher zu ſeyn. Es iſt<lb/> genug!<lb/> Ich blicke tief dir in das Herz und kenne<lb/> Für’s ganze Leben dich. O kennte ſo<lb/> Dich meine Fürſtinn auch! Verſchwende nicht<lb/> Die Pfeile deiner Augen, deiner Zunge!<lb/> Du richteſt ſie vergebens nach dem Kranze,<lb/> Dem unverwelklichen, auf meinem Haupt.<lb/> Sey erſt ſo groß, mir ihn nicht zu beneiden!<lb/> Dann darfſt du mir vielleicht ihn ſtreitig<lb/> machen.<lb/> Ich acht’ ihn heilig und das höchſte Gut:<lb/> Doch zeige mir den Mann, der das erreicht,<lb/> Wornach ich ſtrebe, zeige mir den Helden,<lb/> Von dem mir die Geſchichten nur erzählten;<lb/> Den Dichter ſtell’ mir vor, der ſich Homeren,<lb/> Virgilen ſich vergleichen darf, ja, was<lb/> Noch mehr geſagt iſt, zeige mir den Mann,<lb/> Der dreyfach dieſen Lohn verdiente, den<lb/> Die ſchöne Krone dreyfach mehr als mich<lb/> Beſchämte: dann ſollſt du mich knieend ſehn<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [85/0093]
Ein Schauſpiel.
Taſſo.
Du brauchſt nicht deutlicher zu ſeyn. Es iſt
genug!
Ich blicke tief dir in das Herz und kenne
Für’s ganze Leben dich. O kennte ſo
Dich meine Fürſtinn auch! Verſchwende nicht
Die Pfeile deiner Augen, deiner Zunge!
Du richteſt ſie vergebens nach dem Kranze,
Dem unverwelklichen, auf meinem Haupt.
Sey erſt ſo groß, mir ihn nicht zu beneiden!
Dann darfſt du mir vielleicht ihn ſtreitig
machen.
Ich acht’ ihn heilig und das höchſte Gut:
Doch zeige mir den Mann, der das erreicht,
Wornach ich ſtrebe, zeige mir den Helden,
Von dem mir die Geſchichten nur erzählten;
Den Dichter ſtell’ mir vor, der ſich Homeren,
Virgilen ſich vergleichen darf, ja, was
Noch mehr geſagt iſt, zeige mir den Mann,
Der dreyfach dieſen Lohn verdiente, den
Die ſchöne Krone dreyfach mehr als mich
Beſchämte: dann ſollſt du mich knieend ſehn
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