an Charlotten zu fesseln drohte. Er gewann es über sich, den Stunden auszuweichen, in denen Charlotte nach den Anlagen zu kom¬ men pflegte, indem er schon am frühsten Morgen aufstand, alles anordnete und sich dann zur Arbeit auf seinen Flügel ins Schloß zurückzog. Die ersten Tage hielt es Char¬ lotte für zufällig; sie suchte ihn an allen wahr¬ scheinlichen Stellen; dann glaubte sie ihn zu verstehen und achtete ihn nur um desto mehr.
Vermied nun der Hauptmann mit Char¬ lotten allein zu seyn, so war er desto emsiger, zur glänzenden Feyer des herannahenden Ge¬ burtsfestes die Anlagen zu betreiben und zu beschleunigen: denn indem er von unten hin¬ auf, hinter dem Dorfe her, den bequemen Weg führte, so ließ er, vorgeblich um Steine zu brechen, auch von oben herunter arbeiten, und hatte alles so eingerichtet und berechnet, daß erst in der letzten Nacht die beyden Theile
10 *
an Charlotten zu feſſeln drohte. Er gewann es uͤber ſich, den Stunden auszuweichen, in denen Charlotte nach den Anlagen zu kom¬ men pflegte, indem er ſchon am fruͤhſten Morgen aufſtand, alles anordnete und ſich dann zur Arbeit auf ſeinen Fluͤgel ins Schloß zuruͤckzog. Die erſten Tage hielt es Char¬ lotte fuͤr zufaͤllig; ſie ſuchte ihn an allen wahr¬ ſcheinlichen Stellen; dann glaubte ſie ihn zu verſtehen und achtete ihn nur um deſto mehr.
Vermied nun der Hauptmann mit Char¬ lotten allein zu ſeyn, ſo war er deſto emſiger, zur glaͤnzenden Feyer des herannahenden Ge¬ burtsfeſtes die Anlagen zu betreiben und zu beſchleunigen: denn indem er von unten hin¬ auf, hinter dem Dorfe her, den bequemen Weg fuͤhrte, ſo ließ er, vorgeblich um Steine zu brechen, auch von oben herunter arbeiten, und hatte alles ſo eingerichtet und berechnet, daß erſt in der letzten Nacht die beyden Theile
10 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0152"n="147"/>
an Charlotten zu feſſeln drohte. Er gewann<lb/>
es uͤber ſich, den Stunden auszuweichen, in<lb/>
denen Charlotte nach den Anlagen zu kom¬<lb/>
men pflegte, indem er ſchon am fruͤhſten<lb/>
Morgen aufſtand, alles anordnete und ſich<lb/>
dann zur Arbeit auf ſeinen Fluͤgel ins Schloß<lb/>
zuruͤckzog. Die erſten Tage hielt es Char¬<lb/>
lotte fuͤr zufaͤllig; ſie ſuchte ihn an allen wahr¬<lb/>ſcheinlichen Stellen; dann glaubte ſie ihn<lb/>
zu verſtehen und achtete ihn nur um deſto<lb/>
mehr.</p><lb/><p>Vermied nun der Hauptmann mit Char¬<lb/>
lotten allein zu ſeyn, ſo war er deſto emſiger,<lb/>
zur glaͤnzenden Feyer des herannahenden Ge¬<lb/>
burtsfeſtes die Anlagen zu betreiben und zu<lb/>
beſchleunigen: denn indem er von unten hin¬<lb/>
auf, hinter dem Dorfe her, den bequemen<lb/>
Weg fuͤhrte, ſo ließ er, vorgeblich um Steine<lb/>
zu brechen, auch von oben herunter arbeiten,<lb/>
und hatte alles ſo eingerichtet und berechnet,<lb/>
daß erſt in der letzten Nacht die beyden Theile<lb/><fwplace="bottom"type="sig">10 *<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[147/0152]
an Charlotten zu feſſeln drohte. Er gewann
es uͤber ſich, den Stunden auszuweichen, in
denen Charlotte nach den Anlagen zu kom¬
men pflegte, indem er ſchon am fruͤhſten
Morgen aufſtand, alles anordnete und ſich
dann zur Arbeit auf ſeinen Fluͤgel ins Schloß
zuruͤckzog. Die erſten Tage hielt es Char¬
lotte fuͤr zufaͤllig; ſie ſuchte ihn an allen wahr¬
ſcheinlichen Stellen; dann glaubte ſie ihn
zu verſtehen und achtete ihn nur um deſto
mehr.
Vermied nun der Hauptmann mit Char¬
lotten allein zu ſeyn, ſo war er deſto emſiger,
zur glaͤnzenden Feyer des herannahenden Ge¬
burtsfeſtes die Anlagen zu betreiben und zu
beſchleunigen: denn indem er von unten hin¬
auf, hinter dem Dorfe her, den bequemen
Weg fuͤhrte, ſo ließ er, vorgeblich um Steine
zu brechen, auch von oben herunter arbeiten,
und hatte alles ſo eingerichtet und berechnet,
daß erſt in der letzten Nacht die beyden Theile
10 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/152>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.