Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

steigen, wo der Grundstein an einer Seite
unterstützt eben zum Niederlassen bereit lag.
Ein wohlgeputzter Maurer, die Kelle in der
einen, den Hammer in der andern Hand,
hielt in Reimen eine anmuthige Rede, die
wir in Prosa nur unvollkommen wiedergeben
können.

Drey Dinge, fing er an, sind bey einem
Gebäude zu beobachten: daß es am rechten
Fleck stehe, daß es wohl gegründet, daß es
vollkommen ausgeführt sey. Das erste ist
eigentlich die Sache des Bauherrn: denn wie
in der Stadt nur der Fürst und die Gemeine
bestimmen können, wohin gebaut werden soll;
so ist es auf dem Lande das Vorrecht des
Grundherren, daß er sage: hier soll meine
Wohnung stehen und nirgends anders.

Eduard und Ottilie wagten nicht bey die¬
sen Worten einander anzusehen, ob sie gleich
nahe gegen einander über standen.

ſteigen, wo der Grundſtein an einer Seite
unterſtuͤtzt eben zum Niederlaſſen bereit lag.
Ein wohlgeputzter Maurer, die Kelle in der
einen, den Hammer in der andern Hand,
hielt in Reimen eine anmuthige Rede, die
wir in Proſa nur unvollkommen wiedergeben
koͤnnen.

Drey Dinge, fing er an, ſind bey einem
Gebaͤude zu beobachten: daß es am rechten
Fleck ſtehe, daß es wohl gegruͤndet, daß es
vollkommen ausgefuͤhrt ſey. Das erſte iſt
eigentlich die Sache des Bauherrn: denn wie
in der Stadt nur der Fuͤrſt und die Gemeine
beſtimmen koͤnnen, wohin gebaut werden ſoll;
ſo iſt es auf dem Lande das Vorrecht des
Grundherren, daß er ſage: hier ſoll meine
Wohnung ſtehen und nirgends anders.

Eduard und Ottilie wagten nicht bey die¬
ſen Worten einander anzuſehen, ob ſie gleich
nahe gegen einander uͤber ſtanden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0157" n="152"/>
&#x017F;teigen, wo der Grund&#x017F;tein an einer Seite<lb/>
unter&#x017F;tu&#x0364;tzt eben zum Niederla&#x017F;&#x017F;en bereit lag.<lb/>
Ein wohlgeputzter Maurer, die Kelle in der<lb/>
einen, den Hammer in der andern Hand,<lb/>
hielt in Reimen eine anmuthige Rede, die<lb/>
wir in Pro&#x017F;a nur unvollkommen wiedergeben<lb/>
ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p>Drey Dinge, fing er an, &#x017F;ind bey einem<lb/>
Geba&#x0364;ude zu beobachten: daß es am rechten<lb/>
Fleck &#x017F;tehe, daß es wohl gegru&#x0364;ndet, daß es<lb/>
vollkommen ausgefu&#x0364;hrt &#x017F;ey. Das er&#x017F;te i&#x017F;t<lb/>
eigentlich die Sache des Bauherrn: denn wie<lb/>
in der Stadt nur der Fu&#x0364;r&#x017F;t und die Gemeine<lb/>
be&#x017F;timmen ko&#x0364;nnen, wohin gebaut werden &#x017F;oll;<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t es auf dem Lande das Vorrecht des<lb/>
Grundherren, daß er &#x017F;age: hier &#x017F;oll meine<lb/>
Wohnung &#x017F;tehen und nirgends anders.</p><lb/>
        <p>Eduard und Ottilie wagten nicht bey die¬<lb/>
&#x017F;en Worten einander anzu&#x017F;ehen, ob &#x017F;ie gleich<lb/>
nahe gegen einander u&#x0364;ber &#x017F;tanden.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0157] ſteigen, wo der Grundſtein an einer Seite unterſtuͤtzt eben zum Niederlaſſen bereit lag. Ein wohlgeputzter Maurer, die Kelle in der einen, den Hammer in der andern Hand, hielt in Reimen eine anmuthige Rede, die wir in Proſa nur unvollkommen wiedergeben koͤnnen. Drey Dinge, fing er an, ſind bey einem Gebaͤude zu beobachten: daß es am rechten Fleck ſtehe, daß es wohl gegruͤndet, daß es vollkommen ausgefuͤhrt ſey. Das erſte iſt eigentlich die Sache des Bauherrn: denn wie in der Stadt nur der Fuͤrſt und die Gemeine beſtimmen koͤnnen, wohin gebaut werden ſoll; ſo iſt es auf dem Lande das Vorrecht des Grundherren, daß er ſage: hier ſoll meine Wohnung ſtehen und nirgends anders. Eduard und Ottilie wagten nicht bey die¬ ſen Worten einander anzuſehen, ob ſie gleich nahe gegen einander uͤber ſtanden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/157
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/157>, abgerufen am 23.11.2024.