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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

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Aber wie groß war beym Eröffnen der Thü¬
re unsere Verwunderung! Der Weg war mit
Matratzen verlegt, auf denen die Riesen in
mehreren Reihen ausgestreckt lagen und schlie¬
fen. Der einzige Wachende auf dem Posten
sah uns verwundert an; wir aber im jugend¬
lichen Muth und Muthwillen stiegen ganz
gelassen über die ausgestreckten Stiefel weg,
ohne daß auch nur einer von diesen schnar¬
chenden Enakskindern erwacht wäre.

Ich hatte große Lust zu stolpern, sagte
der Graf, damit es Lärm gegeben hätte:
denn welch eine seltsame Auferstehung würden
wir gesehen haben!

In diesem Augenblick schlug die Schlo߬
glocke Zwölf.

Es ist hoch Mitternacht, sagte der Graf
lächelnd, und eben gerechte Zeit. Ich muß
Sie, lieber Baron, um eine Gefälligkeit bit¬

Aber wie groß war beym Eroͤffnen der Thuͤ¬
re unſere Verwunderung! Der Weg war mit
Matratzen verlegt, auf denen die Rieſen in
mehreren Reihen ausgeſtreckt lagen und ſchlie¬
fen. Der einzige Wachende auf dem Poſten
ſah uns verwundert an; wir aber im jugend¬
lichen Muth und Muthwillen ſtiegen ganz
gelaſſen uͤber die ausgeſtreckten Stiefel weg,
ohne daß auch nur einer von dieſen ſchnar¬
chenden Enakskindern erwacht waͤre.

Ich hatte große Luſt zu ſtolpern, ſagte
der Graf, damit es Laͤrm gegeben haͤtte:
denn welch eine ſeltſame Auferſtehung wuͤrden
wir geſehen haben!

In dieſem Augenblick ſchlug die Schlo߬
glocke Zwoͤlf.

Es iſt hoch Mitternacht, ſagte der Graf
laͤchelnd, und eben gerechte Zeit. Ich muß
Sie, lieber Baron, um eine Gefaͤlligkeit bit¬

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[200/0205] Aber wie groß war beym Eroͤffnen der Thuͤ¬ re unſere Verwunderung! Der Weg war mit Matratzen verlegt, auf denen die Rieſen in mehreren Reihen ausgeſtreckt lagen und ſchlie¬ fen. Der einzige Wachende auf dem Poſten ſah uns verwundert an; wir aber im jugend¬ lichen Muth und Muthwillen ſtiegen ganz gelaſſen uͤber die ausgeſtreckten Stiefel weg, ohne daß auch nur einer von dieſen ſchnar¬ chenden Enakskindern erwacht waͤre. Ich hatte große Luſt zu ſtolpern, ſagte der Graf, damit es Laͤrm gegeben haͤtte: denn welch eine ſeltſame Auferſtehung wuͤrden wir geſehen haben! In dieſem Augenblick ſchlug die Schlo߬ glocke Zwoͤlf. Es iſt hoch Mitternacht, ſagte der Graf laͤchelnd, und eben gerechte Zeit. Ich muß Sie, lieber Baron, um eine Gefaͤlligkeit bit¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/205>, abgerufen am 17.05.2024.