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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

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Trost niederträchtig und Verzweiflung Pflicht
ist. Verschmäht doch ein edler Grieche, der
auch Helden zu schildern weiß, keineswegs,
die seinigen bey schmerzlichem Drange weinen
zu lassen. Selbst im Sprüchwort sagt er:
thränenreiche Männer sind gut. Verlasse mich
Jeder, der trocknes Herzens, trockner Augen
ist! Ich verwünsche die Glücklichen, denen
der Unglückliche nur zum Spectakel dienen
soll. Er soll sich in der grausamsten Lage
körperlicher und geistiger Bedrängniß noch
edel gebärden, um ihren Beyfall zu erhalten;
und damit sie ihm beym Verscheiden noch
applaudiren, wie ein Gladiator mit Anstand
vor ihren Augen umkommen. Lieber Mittler,
ich danke Ihnen für Ihren Besuch; aber
Sie erzeigten mir eine große Liebe, wenn
Sie sich im Garten, in der Gegend um¬
sähen. Wir kommen wieder zusammen.
Ich suche gefaßter und Ihnen ähnlicher zu
werden.

Troſt niedertraͤchtig und Verzweiflung Pflicht
iſt. Verſchmaͤht doch ein edler Grieche, der
auch Helden zu ſchildern weiß, keineswegs,
die ſeinigen bey ſchmerzlichem Drange weinen
zu laſſen. Selbſt im Spruͤchwort ſagt er:
thraͤnenreiche Maͤnner ſind gut. Verlaſſe mich
Jeder, der trocknes Herzens, trockner Augen
iſt! Ich verwuͤnſche die Gluͤcklichen, denen
der Ungluͤckliche nur zum Spectakel dienen
ſoll. Er ſoll ſich in der grauſamſten Lage
koͤrperlicher und geiſtiger Bedraͤngniß noch
edel gebaͤrden, um ihren Beyfall zu erhalten;
und damit ſie ihm beym Verſcheiden noch
applaudiren, wie ein Gladiator mit Anſtand
vor ihren Augen umkommen. Lieber Mittler,
ich danke Ihnen fuͤr Ihren Beſuch; aber
Sie erzeigten mir eine große Liebe, wenn
Sie ſich im Garten, in der Gegend um¬
ſaͤhen. Wir kommen wieder zuſammen.
Ich ſuche gefaßter und Ihnen aͤhnlicher zu
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[297/0302] Troſt niedertraͤchtig und Verzweiflung Pflicht iſt. Verſchmaͤht doch ein edler Grieche, der auch Helden zu ſchildern weiß, keineswegs, die ſeinigen bey ſchmerzlichem Drange weinen zu laſſen. Selbſt im Spruͤchwort ſagt er: thraͤnenreiche Maͤnner ſind gut. Verlaſſe mich Jeder, der trocknes Herzens, trockner Augen iſt! Ich verwuͤnſche die Gluͤcklichen, denen der Ungluͤckliche nur zum Spectakel dienen ſoll. Er ſoll ſich in der grauſamſten Lage koͤrperlicher und geiſtiger Bedraͤngniß noch edel gebaͤrden, um ihren Beyfall zu erhalten; und damit ſie ihm beym Verſcheiden noch applaudiren, wie ein Gladiator mit Anſtand vor ihren Augen umkommen. Lieber Mittler, ich danke Ihnen fuͤr Ihren Beſuch; aber Sie erzeigten mir eine große Liebe, wenn Sie ſich im Garten, in der Gegend um¬ ſaͤhen. Wir kommen wieder zuſammen. Ich ſuche gefaßter und Ihnen aͤhnlicher zu werden.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/302>, abgerufen am 24.11.2024.