Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

hinzu: der Freund solle aus diesen Zeichen die
Ungeduld sehen womit er erwartet werde, und
nach der Eile womit der Brief geschrieben,
die Eilfertigkeit seiner Reise einrichten.

Der Bote war fort und Eduard glaubte
seine Dankbarkeit nicht überzeugender ausdrü¬
cken zu können, als indem er aber und
abermals darauf bestand: Charlotte solle so¬
gleich Ottilien aus der Pension hohlen lassen.

Sie bat um Aufschub und wußte diesen
Abend bey Eduard die Lust zu einer musica¬
lischen Unterhaltung aufzuregen. Charlotte
spielte sehr gut Clavier; Eduard nicht eben
so bequem die Flöte: denn ob er sich gleich
zu Zeiten viel Mühe gegeben hatte, so war
ihm doch nicht die Geduld, die Ausdauer
verliehen, die zur Ausbildung eines solchen
Talentes gehört. Er führte deshalb seine Par¬
tie sehr ungleich aus, einige Stellen gut,
nur vielleicht zu geschwind; bey andern wieder

hinzu: der Freund ſolle aus dieſen Zeichen die
Ungeduld ſehen womit er erwartet werde, und
nach der Eile womit der Brief geſchrieben,
die Eilfertigkeit ſeiner Reiſe einrichten.

Der Bote war fort und Eduard glaubte
ſeine Dankbarkeit nicht uͤberzeugender ausdruͤ¬
cken zu koͤnnen, als indem er aber und
abermals darauf beſtand: Charlotte ſolle ſo¬
gleich Ottilien aus der Penſion hohlen laſſen.

Sie bat um Aufſchub und wußte dieſen
Abend bey Eduard die Luſt zu einer muſica¬
liſchen Unterhaltung aufzuregen. Charlotte
ſpielte ſehr gut Clavier; Eduard nicht eben
ſo bequem die Floͤte: denn ob er ſich gleich
zu Zeiten viel Muͤhe gegeben hatte, ſo war
ihm doch nicht die Geduld, die Ausdauer
verliehen, die zur Ausbildung eines ſolchen
Talentes gehoͤrt. Er fuͤhrte deshalb ſeine Par¬
tie ſehr ungleich aus, einige Stellen gut,
nur vielleicht zu geſchwind; bey andern wieder

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0047" n="42"/>
hinzu: der Freund &#x017F;olle aus die&#x017F;en Zeichen die<lb/>
Ungeduld &#x017F;ehen womit er erwartet werde, und<lb/>
nach der Eile womit der Brief ge&#x017F;chrieben,<lb/>
die Eilfertigkeit &#x017F;einer Rei&#x017F;e einrichten.</p><lb/>
        <p>Der Bote war fort und Eduard glaubte<lb/>
&#x017F;eine Dankbarkeit nicht u&#x0364;berzeugender ausdru&#x0364;¬<lb/>
cken zu ko&#x0364;nnen, als indem er aber und<lb/>
abermals darauf be&#x017F;tand: Charlotte &#x017F;olle &#x017F;<lb/>
gleich Ottilien aus der Pen&#x017F;ion hohlen la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Sie bat um Auf&#x017F;chub und wußte die&#x017F;en<lb/>
Abend bey Eduard die Lu&#x017F;t zu einer mu&#x017F;ica¬<lb/>
li&#x017F;chen Unterhaltung aufzuregen. Charlotte<lb/>
&#x017F;pielte &#x017F;ehr gut Clavier; Eduard nicht eben<lb/>
&#x017F;o bequem die Flo&#x0364;te: denn ob er &#x017F;ich gleich<lb/>
zu Zeiten viel Mu&#x0364;he gegeben hatte, &#x017F;o war<lb/>
ihm doch nicht die Geduld, die Ausdauer<lb/>
verliehen, die zur Ausbildung eines &#x017F;olchen<lb/>
Talentes geho&#x0364;rt. Er fu&#x0364;hrte deshalb &#x017F;eine Par¬<lb/>
tie &#x017F;ehr ungleich aus, einige Stellen gut,<lb/>
nur vielleicht zu ge&#x017F;chwind; bey andern wieder<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0047] hinzu: der Freund ſolle aus dieſen Zeichen die Ungeduld ſehen womit er erwartet werde, und nach der Eile womit der Brief geſchrieben, die Eilfertigkeit ſeiner Reiſe einrichten. Der Bote war fort und Eduard glaubte ſeine Dankbarkeit nicht uͤberzeugender ausdruͤ¬ cken zu koͤnnen, als indem er aber und abermals darauf beſtand: Charlotte ſolle ſo¬ gleich Ottilien aus der Penſion hohlen laſſen. Sie bat um Aufſchub und wußte dieſen Abend bey Eduard die Luſt zu einer muſica¬ liſchen Unterhaltung aufzuregen. Charlotte ſpielte ſehr gut Clavier; Eduard nicht eben ſo bequem die Floͤte: denn ob er ſich gleich zu Zeiten viel Muͤhe gegeben hatte, ſo war ihm doch nicht die Geduld, die Ausdauer verliehen, die zur Ausbildung eines ſolchen Talentes gehoͤrt. Er fuͤhrte deshalb ſeine Par¬ tie ſehr ungleich aus, einige Stellen gut, nur vielleicht zu geſchwind; bey andern wieder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/47
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/47>, abgerufen am 03.12.2024.