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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

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nur sey unser Erbgut und Aufenthalt; der
Blick wird oben freyer und die Brust erwei¬
tert sich.

So müssen wir dießmal noch, versetzte
Charlotte, den alten, etwas beschwerlichen Fu߬
pfad erklimmen; doch, hoffe ich, sollen meine
Stufen und Steige nächstens bequemer bis
ganz hinauf leiten.

Und so gelangte man denn über Felsen,
durch Busch und Gesträuch zur letzten Höhe,
die zwar keine Fläche, doch fortlaufende frucht¬
bare Rücken bildete. Dorf und Schloß hin¬
terwärts waren nicht mehr zu sehen. In der
Tiefe erblickte man ausgebreitete Teiche;
drüben bewachsene Hügel, an denen sie sich
hinzogen; endlich steile Felsen, welche senk¬
recht den letzten Wasserspiegel entschieden
begränzten und ihre bedeutenden Formen auf
der Oberfläche desselben abbildeten. Dort in
der Schlucht, wo ein starker Bach den Tei¬

nur ſey unſer Erbgut und Aufenthalt; der
Blick wird oben freyer und die Bruſt erwei¬
tert ſich.

So muͤſſen wir dießmal noch, verſetzte
Charlotte, den alten, etwas beſchwerlichen Fu߬
pfad erklimmen; doch, hoffe ich, ſollen meine
Stufen und Steige naͤchſtens bequemer bis
ganz hinauf leiten.

Und ſo gelangte man denn uͤber Felſen,
durch Buſch und Geſtraͤuch zur letzten Hoͤhe,
die zwar keine Flaͤche, doch fortlaufende frucht¬
bare Ruͤcken bildete. Dorf und Schloß hin¬
terwaͤrts waren nicht mehr zu ſehen. In der
Tiefe erblickte man ausgebreitete Teiche;
druͤben bewachſene Huͤgel, an denen ſie ſich
hinzogen; endlich ſteile Felſen, welche ſenk¬
recht den letzten Waſſerſpiegel entſchieden
begraͤnzten und ihre bedeutenden Formen auf
der Oberflaͤche deſſelben abbildeten. Dort in
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[48/0053] nur ſey unſer Erbgut und Aufenthalt; der Blick wird oben freyer und die Bruſt erwei¬ tert ſich. So muͤſſen wir dießmal noch, verſetzte Charlotte, den alten, etwas beſchwerlichen Fu߬ pfad erklimmen; doch, hoffe ich, ſollen meine Stufen und Steige naͤchſtens bequemer bis ganz hinauf leiten. Und ſo gelangte man denn uͤber Felſen, durch Buſch und Geſtraͤuch zur letzten Hoͤhe, die zwar keine Flaͤche, doch fortlaufende frucht¬ bare Ruͤcken bildete. Dorf und Schloß hin¬ terwaͤrts waren nicht mehr zu ſehen. In der Tiefe erblickte man ausgebreitete Teiche; druͤben bewachſene Huͤgel, an denen ſie ſich hinzogen; endlich ſteile Felſen, welche ſenk¬ recht den letzten Waſſerſpiegel entſchieden begraͤnzten und ihre bedeutenden Formen auf der Oberflaͤche deſſelben abbildeten. Dort in der Schlucht, wo ein ſtarker Bach den Tei¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/53>, abgerufen am 22.11.2024.