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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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und sich darüber nicht beruhigen noch wieder
finden können. Sie lebte auf ihrem Zimmer
beschäftigt und still, und ertrug selbst den
Anblick der Ihrigen nur wenn sie einzeln ka¬
men: denn sie argwohnte sogleich, wenn meh¬
rere beysammen waren, daß man untereinan¬
der über sie und ihren Zustand reflectire.
Gegen Jedes allein äußerte sie sich vernünftig
und unterhielt sich stundenlang mit ihm.

Luciane hatte davon gehört und sich so¬
gleich im Stillen vorgenommen, wenn sie in
das Haus käme, gleichsam ein Wunder zu
thun und das Frauenzimmer der Gesellschaft
wiederzugeben. Sie betrug sich dabey vor¬
sichtiger als sonst, wußte sich allein bey der
Seelenkranken einzuführen, und soviel man
merken konnte, durch Musik ihr Vertrauen
zu gewinnen. Nur zuletzt versah sie es:
denn eben weil sie Aufsehn erregen wollte, so
brachte sie das schöne blasse Kind, das sie
genug vorbereitet wähnte, eines Abends plötz¬

und ſich daruͤber nicht beruhigen noch wieder
finden koͤnnen. Sie lebte auf ihrem Zimmer
beſchaͤftigt und ſtill, und ertrug ſelbſt den
Anblick der Ihrigen nur wenn ſie einzeln ka¬
men: denn ſie argwohnte ſogleich, wenn meh¬
rere beyſammen waren, daß man untereinan¬
der uͤber ſie und ihren Zuſtand reflectire.
Gegen Jedes allein aͤußerte ſie ſich vernuͤnftig
und unterhielt ſich ſtundenlang mit ihm.

Luciane hatte davon gehoͤrt und ſich ſo¬
gleich im Stillen vorgenommen, wenn ſie in
das Haus kaͤme, gleichſam ein Wunder zu
thun und das Frauenzimmer der Geſellſchaft
wiederzugeben. Sie betrug ſich dabey vor¬
ſichtiger als ſonſt, wußte ſich allein bey der
Seelenkranken einzufuͤhren, und ſoviel man
merken konnte, durch Muſik ihr Vertrauen
zu gewinnen. Nur zuletzt verſah ſie es:
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[108/0111] und ſich daruͤber nicht beruhigen noch wieder finden koͤnnen. Sie lebte auf ihrem Zimmer beſchaͤftigt und ſtill, und ertrug ſelbſt den Anblick der Ihrigen nur wenn ſie einzeln ka¬ men: denn ſie argwohnte ſogleich, wenn meh¬ rere beyſammen waren, daß man untereinan¬ der uͤber ſie und ihren Zuſtand reflectire. Gegen Jedes allein aͤußerte ſie ſich vernuͤnftig und unterhielt ſich ſtundenlang mit ihm. Luciane hatte davon gehoͤrt und ſich ſo¬ gleich im Stillen vorgenommen, wenn ſie in das Haus kaͤme, gleichſam ein Wunder zu thun und das Frauenzimmer der Geſellſchaft wiederzugeben. Sie betrug ſich dabey vor¬ ſichtiger als ſonſt, wußte ſich allein bey der Seelenkranken einzufuͤhren, und ſoviel man merken konnte, durch Muſik ihr Vertrauen zu gewinnen. Nur zuletzt verſah ſie es: denn eben weil ſie Aufſehn erregen wollte, ſo brachte ſie das ſchoͤne blaſſe Kind, das ſie genug vorbereitet waͤhnte, eines Abends ploͤtz¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/111>, abgerufen am 21.11.2024.