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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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pals Gründe darlegte und der Gesellschaft
manches zu denken gab.

Sie sehen, sprach er, nach einem kurzen
Eingang, in welchem er seine Zudringlichkeit
zu rechtfertigen wußte: Sie sehen daß dem
Geringsten wie dem Höchsten daran gelegen
ist, den Ort zu bezeichnen der die Seinigen
aufbewahrt. Dem ärmsten Landmann, der
ein Kind begräbt, ist es eine Art von Trost,
ein schwaches hölzernes Kreuz auf das Grab
zu stellen, es mit einem Kranze zu zieren,
um wenigstens das Andenken so lange zu er¬
halten als der Schmerz währt, wenn auch
ein solches Merkzeichen, wie die Trauer selbst,
durch die Zeit aufgehoben wird. Wohlha¬
bende verwandeln diese Kreuze in eiserne, be¬
festigen und schützen sie auf mancherley Weise,
und hier ist schon Dauer für mehrere Jahre.
Doch weil auch diese endlich sinken und un¬
scheinbar werden; so haben Begüterte nichts
Angelegneres, als einen Stein aufzurichten,

pals Gruͤnde darlegte und der Geſellſchaft
manches zu denken gab.

Sie ſehen, ſprach er, nach einem kurzen
Eingang, in welchem er ſeine Zudringlichkeit
zu rechtfertigen wußte: Sie ſehen daß dem
Geringſten wie dem Hoͤchſten daran gelegen
iſt, den Ort zu bezeichnen der die Seinigen
aufbewahrt. Dem aͤrmſten Landmann, der
ein Kind begraͤbt, iſt es eine Art von Troſt,
ein ſchwaches hoͤlzernes Kreuz auf das Grab
zu ſtellen, es mit einem Kranze zu zieren,
um wenigſtens das Andenken ſo lange zu er¬
halten als der Schmerz waͤhrt, wenn auch
ein ſolches Merkzeichen, wie die Trauer ſelbſt,
durch die Zeit aufgehoben wird. Wohlha¬
bende verwandeln dieſe Kreuze in eiſerne, be¬
feſtigen und ſchuͤtzen ſie auf mancherley Weiſe,
und hier iſt ſchon Dauer fuͤr mehrere Jahre.
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ſcheinbar werden; ſo haben Beguͤterte nichts
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[10/0013] pals Gruͤnde darlegte und der Geſellſchaft manches zu denken gab. Sie ſehen, ſprach er, nach einem kurzen Eingang, in welchem er ſeine Zudringlichkeit zu rechtfertigen wußte: Sie ſehen daß dem Geringſten wie dem Hoͤchſten daran gelegen iſt, den Ort zu bezeichnen der die Seinigen aufbewahrt. Dem aͤrmſten Landmann, der ein Kind begraͤbt, iſt es eine Art von Troſt, ein ſchwaches hoͤlzernes Kreuz auf das Grab zu ſtellen, es mit einem Kranze zu zieren, um wenigſtens das Andenken ſo lange zu er¬ halten als der Schmerz waͤhrt, wenn auch ein ſolches Merkzeichen, wie die Trauer ſelbſt, durch die Zeit aufgehoben wird. Wohlha¬ bende verwandeln dieſe Kreuze in eiſerne, be¬ feſtigen und ſchuͤtzen ſie auf mancherley Weiſe, und hier iſt ſchon Dauer fuͤr mehrere Jahre. Doch weil auch dieſe endlich ſinken und un¬ ſcheinbar werden; ſo haben Beguͤterte nichts Angelegneres, als einen Stein aufzurichten,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/13>, abgerufen am 21.11.2024.