Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Seele mit dem unglücklichen Gedanken er¬
schrecken, daß Mann und Frau entfremdet
sich einander ans Herz drücken und einen ge¬
setzlichen Bund durch lebhafte Wünsche ent¬
heiligen können! Oder ja, da wir einmal so
weit sind, da mein Verhältniß zu Charlotten
getrennt werden muß, da du die meinige seyn
wirst, warum soll ich es nicht sagen! Warum
soll ich das harte Wort nicht aussprechen:
dieß Kind ist aus einem doppelten Ehbruch
erzeugt! es trennt mich von meiner Gattinn
und meine Gattinn von mir, wie es uns hät¬
te verbinden sollen. Mag es denn gegen
mich zeugen, mögen diese herrlichen Augen
den deinigen sagen, daß ich in den Armen
einer andern dir gehörte; mögest du fühlen,
Ottilie, recht fühlen, daß ich jenen Fehler,
jenes Verbrechen nur in deinen Armen ab¬
büßen kann!

Horch! rief er aus, indem er aufsprang
und einen Schuß zu hören glaubte, als das

Seele mit dem ungluͤcklichen Gedanken er¬
ſchrecken, daß Mann und Frau entfremdet
ſich einander ans Herz druͤcken und einen ge¬
ſetzlichen Bund durch lebhafte Wuͤnſche ent¬
heiligen koͤnnen! Oder ja, da wir einmal ſo
weit ſind, da mein Verhaͤltniß zu Charlotten
getrennt werden muß, da du die meinige ſeyn
wirſt, warum ſoll ich es nicht ſagen! Warum
ſoll ich das harte Wort nicht ausſprechen:
dieß Kind iſt aus einem doppelten Ehbruch
erzeugt! es trennt mich von meiner Gattinn
und meine Gattinn von mir, wie es uns haͤt¬
te verbinden ſollen. Mag es denn gegen
mich zeugen, moͤgen dieſe herrlichen Augen
den deinigen ſagen, daß ich in den Armen
einer andern dir gehoͤrte; moͤgeſt du fuͤhlen,
Ottilie, recht fuͤhlen, daß ich jenen Fehler,
jenes Verbrechen nur in deinen Armen ab¬
buͤßen kann!

Horch! rief er aus, indem er aufſprang
und einen Schuß zu hoͤren glaubte, als das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0253" n="250"/>
Seele mit dem unglu&#x0364;cklichen Gedanken er¬<lb/>
&#x017F;chrecken, daß Mann und Frau entfremdet<lb/>
&#x017F;ich einander ans Herz dru&#x0364;cken und einen ge¬<lb/>
&#x017F;etzlichen Bund durch lebhafte Wu&#x0364;n&#x017F;che ent¬<lb/>
heiligen ko&#x0364;nnen! Oder ja, da wir einmal &#x017F;o<lb/>
weit &#x017F;ind, da mein Verha&#x0364;ltniß zu Charlotten<lb/>
getrennt werden muß, da du die meinige &#x017F;eyn<lb/>
wir&#x017F;t, warum &#x017F;oll ich es nicht &#x017F;agen! Warum<lb/>
&#x017F;oll ich das harte Wort nicht aus&#x017F;prechen:<lb/>
dieß Kind i&#x017F;t aus einem doppelten Ehbruch<lb/>
erzeugt! es trennt mich von meiner Gattinn<lb/>
und meine Gattinn von mir, wie es uns ha&#x0364;<lb/>
te verbinden &#x017F;ollen. Mag es denn gegen<lb/>
mich zeugen, mo&#x0364;gen die&#x017F;e herrlichen Augen<lb/>
den deinigen &#x017F;agen, daß ich in den Armen<lb/>
einer andern dir geho&#x0364;rte; mo&#x0364;ge&#x017F;t du fu&#x0364;hlen,<lb/>
Ottilie, recht fu&#x0364;hlen, daß ich jenen Fehler,<lb/>
jenes Verbrechen nur in deinen Armen ab¬<lb/>
bu&#x0364;ßen kann!</p><lb/>
        <p>Horch! rief er aus, indem er auf&#x017F;prang<lb/>
und einen Schuß zu ho&#x0364;ren glaubte, als das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0253] Seele mit dem ungluͤcklichen Gedanken er¬ ſchrecken, daß Mann und Frau entfremdet ſich einander ans Herz druͤcken und einen ge¬ ſetzlichen Bund durch lebhafte Wuͤnſche ent¬ heiligen koͤnnen! Oder ja, da wir einmal ſo weit ſind, da mein Verhaͤltniß zu Charlotten getrennt werden muß, da du die meinige ſeyn wirſt, warum ſoll ich es nicht ſagen! Warum ſoll ich das harte Wort nicht ausſprechen: dieß Kind iſt aus einem doppelten Ehbruch erzeugt! es trennt mich von meiner Gattinn und meine Gattinn von mir, wie es uns haͤt¬ te verbinden ſollen. Mag es denn gegen mich zeugen, moͤgen dieſe herrlichen Augen den deinigen ſagen, daß ich in den Armen einer andern dir gehoͤrte; moͤgeſt du fuͤhlen, Ottilie, recht fuͤhlen, daß ich jenen Fehler, jenes Verbrechen nur in deinen Armen ab¬ buͤßen kann! Horch! rief er aus, indem er aufſprang und einen Schuß zu hoͤren glaubte, als das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/253
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/253>, abgerufen am 24.11.2024.