nach außen erstreckte, nach innen wenden; aber wie bald, wie geschwind sind wir aus diesem Irrthum gerissen, wenn dasjenige was wir entbehren zu können glaubten, auf einmal wieder als unentbehrlich vor unsern Augen steht. Thue jetzt was du deinen Zuständen am gemäßesten hältst; prüfe dich, ja verändre lieber deinen gegenwärtigen Entschluß: aber aus dir selbst, aus freyem, wollenden Her¬ zen. Laß dich nicht zufällig, nicht durch Ueber¬ raschung, in die vorigen Verhältnisse wieder hineinziehen: dann giebt es erst einen Zwie¬ spalt im Gemüth der unerträglich ist. Wie gesagt, ehe du diesen Schritt thust, ehe du dich von mir entfernst und ein neues Leben anfängst, das dich wer weiß auf welche Wege leitet; so bedenke noch einmal, ob du denn wirklich für alle Zukunft Eduarden entsagen kannst. Hast du dich aber hierzu bestimmt; so schließen wir einen Bund, daß du dich mit ihm nicht einlassen willst, selbst nicht in eine Unterredung, wenn er dich aufsuchen,
nach außen erſtreckte, nach innen wenden; aber wie bald, wie geſchwind ſind wir aus dieſem Irrthum geriſſen, wenn dasjenige was wir entbehren zu koͤnnen glaubten, auf einmal wieder als unentbehrlich vor unſern Augen ſteht. Thue jetzt was du deinen Zuſtaͤnden am gemaͤßeſten haͤltſt; pruͤfe dich, ja veraͤndre lieber deinen gegenwaͤrtigen Entſchluß: aber aus dir ſelbſt, aus freyem, wollenden Her¬ zen. Laß dich nicht zufaͤllig, nicht durch Ueber¬ raſchung, in die vorigen Verhaͤltniſſe wieder hineinziehen: dann giebt es erſt einen Zwie¬ ſpalt im Gemuͤth der unertraͤglich iſt. Wie geſagt, ehe du dieſen Schritt thuſt, ehe du dich von mir entfernſt und ein neues Leben anfaͤngſt, das dich wer weiß auf welche Wege leitet; ſo bedenke noch einmal, ob du denn wirklich fuͤr alle Zukunft Eduarden entſagen kannſt. Haſt du dich aber hierzu beſtimmt; ſo ſchließen wir einen Bund, daß du dich mit ihm nicht einlaſſen willſt, ſelbſt nicht in eine Unterredung, wenn er dich aufſuchen,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0286"n="283"/>
nach außen erſtreckte, nach innen wenden; aber<lb/>
wie bald, wie geſchwind ſind wir aus dieſem<lb/>
Irrthum geriſſen, wenn dasjenige was wir<lb/>
entbehren zu koͤnnen glaubten, auf einmal<lb/>
wieder als unentbehrlich vor unſern Augen<lb/>ſteht. Thue jetzt was du deinen Zuſtaͤnden<lb/>
am gemaͤßeſten haͤltſt; pruͤfe dich, ja veraͤndre<lb/>
lieber deinen gegenwaͤrtigen Entſchluß: aber<lb/>
aus dir ſelbſt, aus freyem, wollenden Her¬<lb/>
zen. Laß dich nicht zufaͤllig, nicht durch Ueber¬<lb/>
raſchung, in die vorigen Verhaͤltniſſe wieder<lb/>
hineinziehen: dann giebt es erſt einen Zwie¬<lb/>ſpalt im Gemuͤth der unertraͤglich iſt. Wie<lb/>
geſagt, ehe du dieſen Schritt thuſt, ehe du<lb/>
dich von mir entfernſt und ein neues Leben<lb/>
anfaͤngſt, das dich wer weiß auf welche Wege<lb/>
leitet; ſo bedenke noch einmal, ob du denn<lb/>
wirklich fuͤr alle Zukunft Eduarden entſagen<lb/>
kannſt. Haſt du dich aber hierzu beſtimmt;<lb/>ſo ſchließen wir einen Bund, daß du dich<lb/>
mit ihm nicht einlaſſen willſt, ſelbſt nicht in<lb/>
eine Unterredung, wenn er dich aufſuchen,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[283/0286]
nach außen erſtreckte, nach innen wenden; aber
wie bald, wie geſchwind ſind wir aus dieſem
Irrthum geriſſen, wenn dasjenige was wir
entbehren zu koͤnnen glaubten, auf einmal
wieder als unentbehrlich vor unſern Augen
ſteht. Thue jetzt was du deinen Zuſtaͤnden
am gemaͤßeſten haͤltſt; pruͤfe dich, ja veraͤndre
lieber deinen gegenwaͤrtigen Entſchluß: aber
aus dir ſelbſt, aus freyem, wollenden Her¬
zen. Laß dich nicht zufaͤllig, nicht durch Ueber¬
raſchung, in die vorigen Verhaͤltniſſe wieder
hineinziehen: dann giebt es erſt einen Zwie¬
ſpalt im Gemuͤth der unertraͤglich iſt. Wie
geſagt, ehe du dieſen Schritt thuſt, ehe du
dich von mir entfernſt und ein neues Leben
anfaͤngſt, das dich wer weiß auf welche Wege
leitet; ſo bedenke noch einmal, ob du denn
wirklich fuͤr alle Zukunft Eduarden entſagen
kannſt. Haſt du dich aber hierzu beſtimmt;
ſo ſchließen wir einen Bund, daß du dich
mit ihm nicht einlaſſen willſt, ſelbſt nicht in
eine Unterredung, wenn er dich aufſuchen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/286>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.