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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774.

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Sonst sind einige verzerrte Originale mir in
Weg gelaufen, an denen alles unausstehlich ist,
am unerträglichsten ihre Freundschaftsbezeugungen.

Leb wohl! der Brief wird dir recht seyn, er
ist ganz historisch.




Daß das Leben des Menschen nur ein Traum
sey, ist manchem schon so vorgekommen, und
auch mit mir zieht dieses Gefühl immer herum.
Wenn ich die Einschränkung so ansehe, in welche
die thätigen und forschenden Kräfte des Menschen
eingesperrt sind, wenn ich sehe, wie alle Würksam-
keit dahinaus läuft, sich die Befriedigung von Be-
dürfnissen zu verschaffen, die wieder keinen Zwek
haben, als unsere arme Existenz zu verlängern, und
dann, daß alle Beruhigung über gewisse Punkte
des Nachforschens nur eine träumende Resignation
ist, da man sich die Wände, zwischen denen man
gefangen sizt, mit bunten Gestalten und lichten
Aussichten bemahlt. Das alles, Wilhelm, macht
mich stumm. Jch kehre in mich selbst zurük, und
finde eine Welt! Wieder mehr in Ahndung und

dunkler
B


Sonſt ſind einige verzerrte Originale mir in
Weg gelaufen, an denen alles unausſtehlich iſt,
am unertraͤglichſten ihre Freundſchaftsbezeugungen.

Leb wohl! der Brief wird dir recht ſeyn, er
iſt ganz hiſtoriſch.




Daß das Leben des Menſchen nur ein Traum
ſey, iſt manchem ſchon ſo vorgekommen, und
auch mit mir zieht dieſes Gefuͤhl immer herum.
Wenn ich die Einſchraͤnkung ſo anſehe, in welche
die thaͤtigen und forſchenden Kraͤfte des Menſchen
eingeſperrt ſind, wenn ich ſehe, wie alle Wuͤrkſam-
keit dahinaus laͤuft, ſich die Befriedigung von Be-
duͤrfniſſen zu verſchaffen, die wieder keinen Zwek
haben, als unſere arme Exiſtenz zu verlaͤngern, und
dann, daß alle Beruhigung uͤber gewiſſe Punkte
des Nachforſchens nur eine traͤumende Reſignation
iſt, da man ſich die Waͤnde, zwiſchen denen man
gefangen ſizt, mit bunten Geſtalten und lichten
Ausſichten bemahlt. Das alles, Wilhelm, macht
mich ſtumm. Jch kehre in mich ſelbſt zuruͤk, und
finde eine Welt! Wieder mehr in Ahndung und

dunkler
B
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[17/0017] Sonſt ſind einige verzerrte Originale mir in Weg gelaufen, an denen alles unausſtehlich iſt, am unertraͤglichſten ihre Freundſchaftsbezeugungen. Leb wohl! der Brief wird dir recht ſeyn, er iſt ganz hiſtoriſch. am 22 May. Daß das Leben des Menſchen nur ein Traum ſey, iſt manchem ſchon ſo vorgekommen, und auch mit mir zieht dieſes Gefuͤhl immer herum. Wenn ich die Einſchraͤnkung ſo anſehe, in welche die thaͤtigen und forſchenden Kraͤfte des Menſchen eingeſperrt ſind, wenn ich ſehe, wie alle Wuͤrkſam- keit dahinaus laͤuft, ſich die Befriedigung von Be- duͤrfniſſen zu verſchaffen, die wieder keinen Zwek haben, als unſere arme Exiſtenz zu verlaͤngern, und dann, daß alle Beruhigung uͤber gewiſſe Punkte des Nachforſchens nur eine traͤumende Reſignation iſt, da man ſich die Waͤnde, zwiſchen denen man gefangen ſizt, mit bunten Geſtalten und lichten Ausſichten bemahlt. Das alles, Wilhelm, macht mich ſtumm. Jch kehre in mich ſelbſt zuruͤk, und finde eine Welt! Wieder mehr in Ahndung und dunkler B

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774/17>, abgerufen am 03.12.2024.