Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774.Tänzer fiengen einen englischen an, und wie wohl mir's war, als sie auch in der Reihe die Figur mit uns anfieng, magst du fühlen. Tanzen muß man sie sehen. Siehst du, sie ist so mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele dabey, ihr ganzer Körper, eine Harmonie, so sorglos, so unbefan- gen, als wenn das eigentlich alles wäre, als wenn sie sonst nichts dächte, nichts empfände, und in dem Augenblikke gewiß schwindet alles andere vor ihr. Jch bat sie um den zweyten Contretanz, sie sag- drauf, C 3
Taͤnzer fiengen einen engliſchen an, und wie wohl mir’s war, als ſie auch in der Reihe die Figur mit uns anfieng, magſt du fuͤhlen. Tanzen muß man ſie ſehen. Siehſt du, ſie iſt ſo mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele dabey, ihr ganzer Koͤrper, eine Harmonie, ſo ſorglos, ſo unbefan- gen, als wenn das eigentlich alles waͤre, als wenn ſie ſonſt nichts daͤchte, nichts empfaͤnde, und in dem Augenblikke gewiß ſchwindet alles andere vor ihr. Jch bat ſie um den zweyten Contretanz, ſie ſag- drauf, C 3
<TEI> <text> <body> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0037" n="37"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Taͤnzer fiengen einen engliſchen an, und wie wohl<lb/> mir’s war, als ſie auch in der Reihe die Figur<lb/> mit uns anfieng, magſt du fuͤhlen. Tanzen muß<lb/> man ſie ſehen. Siehſt du, ſie iſt ſo mit ganzem<lb/> Herzen und mit ganzer Seele dabey, ihr ganzer<lb/> Koͤrper, eine Harmonie, ſo ſorglos, ſo unbefan-<lb/> gen, als wenn das eigentlich alles waͤre, als wenn<lb/> ſie ſonſt nichts daͤchte, nichts empfaͤnde, und in<lb/> dem Augenblikke gewiß ſchwindet alles andere<lb/> vor ihr.</p><lb/> <p>Jch bat ſie um den zweyten Contretanz, ſie ſag-<lb/> te mir den dritten zu, und mit der liebenswuͤrdig-<lb/> ſten Freymuͤthigkeit von der Welt verſicherte ſie<lb/> mich, daß ſie herzlich gern deutſch tanzte. Es iſt<lb/> hier ſo Mode, fuhr ſie fort, daß jedes paar, das<lb/> zuſammen gehoͤrt, beym Deutſchen zuſammen bleibt,<lb/> und mein Chapeau walzt ſchlecht, und dankt mir’s,<lb/> wenn ich ihm die Arbeit erlaſſe, ihr Frauenzim-<lb/> mer kann’s auch nicht und mag nicht, und ich<lb/> habe im Engliſchen geſehn, daß ſie gut walzen, wenn<lb/> ſie nun mein ſeyn wollen fuͤrs Deutſche, ſo gehn<lb/> ſie und bitten ſich’s aus von meinem Herrn, ich<lb/> will zu ihrer Dame gehn. Jch gab ihr die Hand<lb/> <fw place="bottom" type="sig">C 3</fw><fw place="bottom" type="catch">drauf,</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [37/0037]
Taͤnzer fiengen einen engliſchen an, und wie wohl
mir’s war, als ſie auch in der Reihe die Figur
mit uns anfieng, magſt du fuͤhlen. Tanzen muß
man ſie ſehen. Siehſt du, ſie iſt ſo mit ganzem
Herzen und mit ganzer Seele dabey, ihr ganzer
Koͤrper, eine Harmonie, ſo ſorglos, ſo unbefan-
gen, als wenn das eigentlich alles waͤre, als wenn
ſie ſonſt nichts daͤchte, nichts empfaͤnde, und in
dem Augenblikke gewiß ſchwindet alles andere
vor ihr.
Jch bat ſie um den zweyten Contretanz, ſie ſag-
te mir den dritten zu, und mit der liebenswuͤrdig-
ſten Freymuͤthigkeit von der Welt verſicherte ſie
mich, daß ſie herzlich gern deutſch tanzte. Es iſt
hier ſo Mode, fuhr ſie fort, daß jedes paar, das
zuſammen gehoͤrt, beym Deutſchen zuſammen bleibt,
und mein Chapeau walzt ſchlecht, und dankt mir’s,
wenn ich ihm die Arbeit erlaſſe, ihr Frauenzim-
mer kann’s auch nicht und mag nicht, und ich
habe im Engliſchen geſehn, daß ſie gut walzen, wenn
ſie nun mein ſeyn wollen fuͤrs Deutſche, ſo gehn
ſie und bitten ſich’s aus von meinem Herrn, ich
will zu ihrer Dame gehn. Jch gab ihr die Hand
drauf,
C 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |