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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774.

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Das bewog den verstorbenen Grafen von M ..
einen Garten auf einem der Hügel anzulegen, die
mit der schönsten Mannigfaltigkeit der Natur sich
kreuzen, und die lieblichsten Thäler bilden. Der
Garten ist einfach, und man fühlt gleich bey dem
Eintritte, daß nicht ein wissenschaftlicher Gärtner,
sondern ein fühlendes Herz den Plan bezeichnet,
das sein selbst hier genießen wollte. Schon man-
che Thräne hab ich dem Abgeschiedenen in dem ver-
fallnen Cabinetgen geweint, das sein Lieblingspläz-
gen war, und auch mein's ist. Bald werd ich
Herr vom Garten seyn, der Gärtner ist mir zu-
gethan, nur seit den paar Tagen, und er wird sich
nicht übel davon befinden.




Eine wunderbare Heiterkeit hat meine ganze See-
le eingenommen, gleich denen süßen Frühlings-
morgen, die ich mit ganzem Herzen geniesse. Jch
bin so allein und freue mich so meines Lebens, in
dieser Gegend, die für solche Seelen geschaffen ist,
wie die meine. Jch bin so glücklich, mein Bester,

so



Das bewog den verſtorbenen Grafen von M ..
einen Garten auf einem der Huͤgel anzulegen, die
mit der ſchoͤnſten Mannigfaltigkeit der Natur ſich
kreuzen, und die lieblichſten Thaͤler bilden. Der
Garten iſt einfach, und man fuͤhlt gleich bey dem
Eintritte, daß nicht ein wiſſenſchaftlicher Gaͤrtner,
ſondern ein fuͤhlendes Herz den Plan bezeichnet,
das ſein ſelbſt hier genießen wollte. Schon man-
che Thraͤne hab ich dem Abgeſchiedenen in dem ver-
fallnen Cabinetgen geweint, das ſein Lieblingsplaͤz-
gen war, und auch mein’s iſt. Bald werd ich
Herr vom Garten ſeyn, der Gaͤrtner iſt mir zu-
gethan, nur ſeit den paar Tagen, und er wird ſich
nicht uͤbel davon befinden.




Eine wunderbare Heiterkeit hat meine ganze See-
le eingenommen, gleich denen ſuͤßen Fruͤhlings-
morgen, die ich mit ganzem Herzen genieſſe. Jch
bin ſo allein und freue mich ſo meines Lebens, in
dieſer Gegend, die fuͤr ſolche Seelen geſchaffen iſt,
wie die meine. Jch bin ſo gluͤcklich, mein Beſter,

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[8/0008] Das bewog den verſtorbenen Grafen von M .. einen Garten auf einem der Huͤgel anzulegen, die mit der ſchoͤnſten Mannigfaltigkeit der Natur ſich kreuzen, und die lieblichſten Thaͤler bilden. Der Garten iſt einfach, und man fuͤhlt gleich bey dem Eintritte, daß nicht ein wiſſenſchaftlicher Gaͤrtner, ſondern ein fuͤhlendes Herz den Plan bezeichnet, das ſein ſelbſt hier genießen wollte. Schon man- che Thraͤne hab ich dem Abgeſchiedenen in dem ver- fallnen Cabinetgen geweint, das ſein Lieblingsplaͤz- gen war, und auch mein’s iſt. Bald werd ich Herr vom Garten ſeyn, der Gaͤrtner iſt mir zu- gethan, nur ſeit den paar Tagen, und er wird ſich nicht uͤbel davon befinden. am 10. May. Eine wunderbare Heiterkeit hat meine ganze See- le eingenommen, gleich denen ſuͤßen Fruͤhlings- morgen, die ich mit ganzem Herzen genieſſe. Jch bin ſo allein und freue mich ſo meines Lebens, in dieſer Gegend, die fuͤr ſolche Seelen geſchaffen iſt, wie die meine. Jch bin ſo gluͤcklich, mein Beſter, ſo

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774/8>, abgerufen am 21.11.2024.