Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774.lich der Graf auf mich losgieng und mich in ein Fenster nahm. Sie wissen sagt er, unsere wun- derbaren Verhältnisse, die Gesellschaft ist unzufrie- den, merk ich, sie hier zu sehn, ich wollte nicht um alles -- Jhro Excellenz, fiel ich ein, ich bitte tau- sendmal um Verzeihung, ich hätte eher dran den- ken sollen, und ich weis, Sie verzeihen mir diese Jnkonsequenz, ich wollte schon vorhin mich empfeh- len, ein böser Genius hat mich zurük gehalten, sezte ich lächelnd hinzu, indem ich mich neigte. Der Graf drükte meine Hände mit einer Empfindung, die alles sagte. Jch machte der vornehmen Ge- sellschaft mein Compliment, gieng und sezte mich in ein Cabriolet und fuhr nach M.. dort vom Hü- gel die Sonne untergehen zu sehen, und dabey in meinem Homer den herrlichen Gesang zu lesen, wie Ulyß von dem treflichen Schweinhirten bewir- thet wird. Das war all gut. Des Abends komm ich zurük zu Tische. Es und
lich der Graf auf mich losgieng und mich in ein Fenſter nahm. Sie wiſſen ſagt er, unſere wun- derbaren Verhaͤltniſſe, die Geſellſchaft iſt unzufrie- den, merk ich, ſie hier zu ſehn, ich wollte nicht um alles — Jhro Excellenz, fiel ich ein, ich bitte tau- ſendmal um Verzeihung, ich haͤtte eher dran den- ken ſollen, und ich weis, Sie verzeihen mir dieſe Jnkonſequenz, ich wollte ſchon vorhin mich empfeh- len, ein boͤſer Genius hat mich zuruͤk gehalten, ſezte ich laͤchelnd hinzu, indem ich mich neigte. Der Graf druͤkte meine Haͤnde mit einer Empfindung, die alles ſagte. Jch machte der vornehmen Ge- ſellſchaft mein Compliment, gieng und ſezte mich in ein Cabriolet und fuhr nach M.. dort vom Huͤ- gel die Sonne untergehen zu ſehen, und dabey in meinem Homer den herrlichen Geſang zu leſen, wie Ulyß von dem treflichen Schweinhirten bewir- thet wird. Das war all gut. Des Abends komm ich zuruͤk zu Tiſche. Es und
<TEI> <text> <body> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0020" n="132"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> lich der Graf auf mich losgieng und mich in ein<lb/> Fenſter nahm. Sie wiſſen ſagt er, unſere wun-<lb/> derbaren Verhaͤltniſſe, die Geſellſchaft iſt unzufrie-<lb/> den, merk ich, ſie hier zu ſehn, ich wollte nicht um<lb/> alles — Jhro Excellenz, fiel ich ein, ich bitte tau-<lb/> ſendmal um Verzeihung, ich haͤtte eher dran den-<lb/> ken ſollen, und ich weis, Sie verzeihen mir dieſe<lb/> Jnkonſequenz, ich wollte ſchon vorhin mich empfeh-<lb/> len, ein boͤſer Genius hat mich zuruͤk gehalten,<lb/> ſezte ich laͤchelnd hinzu, indem ich mich neigte. Der<lb/> Graf druͤkte meine Haͤnde mit einer Empfindung,<lb/> die alles ſagte. Jch machte der vornehmen Ge-<lb/> ſellſchaft mein Compliment, gieng und ſezte mich in<lb/> ein Cabriolet und fuhr nach M.. dort vom Huͤ-<lb/> gel die Sonne untergehen zu ſehen, und dabey in<lb/> meinem Homer den herrlichen Geſang zu leſen,<lb/> wie Ulyß von dem treflichen Schweinhirten bewir-<lb/> thet wird. Das war all gut.</p><lb/> <p>Des Abends komm ich zuruͤk zu Tiſche. Es<lb/> waren noch wenige in der Gaſtſtube, die wuͤrfelten<lb/> auf einer Ekke, hatten das Tiſchtuch zuruͤk geſchla-<lb/> gen. Da kommt der ehrliche A.. hinein, legt ſei-<lb/> nen Hut nieder, indem er mich anſieht, tritt zu mir<lb/> <fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [132/0020]
lich der Graf auf mich losgieng und mich in ein
Fenſter nahm. Sie wiſſen ſagt er, unſere wun-
derbaren Verhaͤltniſſe, die Geſellſchaft iſt unzufrie-
den, merk ich, ſie hier zu ſehn, ich wollte nicht um
alles — Jhro Excellenz, fiel ich ein, ich bitte tau-
ſendmal um Verzeihung, ich haͤtte eher dran den-
ken ſollen, und ich weis, Sie verzeihen mir dieſe
Jnkonſequenz, ich wollte ſchon vorhin mich empfeh-
len, ein boͤſer Genius hat mich zuruͤk gehalten,
ſezte ich laͤchelnd hinzu, indem ich mich neigte. Der
Graf druͤkte meine Haͤnde mit einer Empfindung,
die alles ſagte. Jch machte der vornehmen Ge-
ſellſchaft mein Compliment, gieng und ſezte mich in
ein Cabriolet und fuhr nach M.. dort vom Huͤ-
gel die Sonne untergehen zu ſehen, und dabey in
meinem Homer den herrlichen Geſang zu leſen,
wie Ulyß von dem treflichen Schweinhirten bewir-
thet wird. Das war all gut.
Des Abends komm ich zuruͤk zu Tiſche. Es
waren noch wenige in der Gaſtſtube, die wuͤrfelten
auf einer Ekke, hatten das Tiſchtuch zuruͤk geſchla-
gen. Da kommt der ehrliche A.. hinein, legt ſei-
nen Hut nieder, indem er mich anſieht, tritt zu mir
und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |