Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774.Ja wenn ich dir das so sagen könnte! Jch wi- derstund nicht länger, neigte mich und schwur: Nie will ich's wagen, einen Kuß euch einzudrük- ken Lippen, auf denen die Geister des Himmels schweben -- Und doch -- ich will -- Ha siehst du, das steht wie eine Scheidewand vor meiner Seelen -- diese Seligkeit -- und da untergegan- gen, die Sünde abzubüssen -- Sünde? am 30. Nov. Jch soll, ich soll nicht zu mir selbst kommen, wo Jch gehe an dem Wasser hin in der Mit- Geräusch L 2
Ja wenn ich dir das ſo ſagen koͤnnte! Jch wi- derſtund nicht laͤnger, neigte mich und ſchwur: Nie will ich’s wagen, einen Kuß euch einzudruͤk- ken Lippen, auf denen die Geiſter des Himmels ſchweben — Und doch — ich will — Ha ſiehſt du, das ſteht wie eine Scheidewand vor meiner Seelen — dieſe Seligkeit — und da untergegan- gen, die Suͤnde abzubuͤſſen — Suͤnde? am 30. Nov. Jch ſoll, ich ſoll nicht zu mir ſelbſt kommen, wo Jch gehe an dem Waſſer hin in der Mit- Geraͤuſch L 2
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Ja wenn ich dir das ſo ſagen koͤnnte! Jch wi-
derſtund nicht laͤnger, neigte mich und ſchwur:
Nie will ich’s wagen, einen Kuß euch einzudruͤk-
ken Lippen, auf denen die Geiſter des Himmels
ſchweben — Und doch — ich will — Ha ſiehſt
du, das ſteht wie eine Scheidewand vor meiner
Seelen — dieſe Seligkeit — und da untergegan-
gen, die Suͤnde abzubuͤſſen — Suͤnde?
am 30. Nov.
Jch ſoll, ich ſoll nicht zu mir ſelbſt kommen, wo
ich hintrete, begegnet mir eine Erſcheinung, die
mich aus aller Faſſung bringt. Heut! O Schik-
ſal! O Menſchheit!
Jch gehe an dem Waſſer hin in der Mit-
tagsſtunde, ich hatte keine Luſt zu eſſen. Alles war
ſo oͤde, ein naßkalter Abendwind blies vom Ber-
ge, und die grauen Regenwolken zogen das Thal
hinein. Von ferne ſeh ich einen Menſchen in ei-
nem gruͤnen ſchlechten Rokke, der zwiſchen den Fel-
ſen herumkrabelte und Kraͤuter zu ſuchen ſchien.
Als ich naͤher zu ihm kam und er ſich auf das
Geraͤuſch
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