Goldammer, Leo: Auf Wiedersehen! In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 157–185. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Thür aufgehen -- er hört einen Schlag -- er hockt auf dem Ofen und sieht Nichts. -- Ein dumpfes Aechzen, danach ein Gepolter die Treppe herunter -- und der gräßliche Vorgang über seinem Haupte hatte sich ihm vor die Seele gestellt. Zitternd und bebend klettert und fällt er vom Ofen herunter, das Geld krampfhaft in der Schürze zusammengefaßt, eine ungeheure Schuld auf den Schultern. -- Du hast das Geld? ruft ihm eine Stimme von der Hausflur entgegen. Ich hab's, ist die Antwort. In der Backstubenthür sieht er den Strohmer ein Etwas nach der Straße hinschleifen, er sieht ihn dies leblos erschlaffte, und dennoch wie rachefordernd vor seine Seele tretende Etwas über die vom Feuer der Stadt grell beschienenen Leichen hinwerfen und hört ihn rufen: Nun haben's die Russen gethan! Danach entwichen sie Beide in den Wald, theilten ihren Raub und riefen einander: -- auf Wiedersehen! II. Sechsunddreißig Jahre waren vergangen seitdem. Der Friede war wieder ins Land gekommen, Stürme anderer Art hatten dagegen sich eingestellt. Ueber der Versumpfung des Lebens in einem Nachbarlande hatten sich die Wetter ungezügelten Verlangens gesammelt und Thür aufgehen — er hört einen Schlag — er hockt auf dem Ofen und sieht Nichts. — Ein dumpfes Aechzen, danach ein Gepolter die Treppe herunter — und der gräßliche Vorgang über seinem Haupte hatte sich ihm vor die Seele gestellt. Zitternd und bebend klettert und fällt er vom Ofen herunter, das Geld krampfhaft in der Schürze zusammengefaßt, eine ungeheure Schuld auf den Schultern. — Du hast das Geld? ruft ihm eine Stimme von der Hausflur entgegen. Ich hab's, ist die Antwort. In der Backstubenthür sieht er den Strohmer ein Etwas nach der Straße hinschleifen, er sieht ihn dies leblos erschlaffte, und dennoch wie rachefordernd vor seine Seele tretende Etwas über die vom Feuer der Stadt grell beschienenen Leichen hinwerfen und hört ihn rufen: Nun haben's die Russen gethan! Danach entwichen sie Beide in den Wald, theilten ihren Raub und riefen einander: — auf Wiedersehen! II. Sechsunddreißig Jahre waren vergangen seitdem. Der Friede war wieder ins Land gekommen, Stürme anderer Art hatten dagegen sich eingestellt. Ueber der Versumpfung des Lebens in einem Nachbarlande hatten sich die Wetter ungezügelten Verlangens gesammelt und <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0019"/> Thür aufgehen — er hört einen Schlag — er hockt auf dem Ofen und sieht Nichts. —</p><lb/> <p>Ein dumpfes Aechzen, danach ein Gepolter die Treppe herunter — und der gräßliche Vorgang über seinem Haupte hatte sich ihm vor die Seele gestellt.</p><lb/> <p>Zitternd und bebend klettert und fällt er vom Ofen herunter, das Geld krampfhaft in der Schürze zusammengefaßt, eine ungeheure Schuld auf den Schultern. — Du hast das Geld? ruft ihm eine Stimme von der Hausflur entgegen.</p><lb/> <p>Ich hab's, ist die Antwort.</p><lb/> <p>In der Backstubenthür sieht er den Strohmer ein Etwas nach der Straße hinschleifen, er sieht ihn dies leblos erschlaffte, und dennoch wie rachefordernd vor seine Seele tretende Etwas über die vom Feuer der Stadt grell beschienenen Leichen hinwerfen und hört ihn rufen: Nun haben's die Russen gethan!</p><lb/> <p>Danach entwichen sie Beide in den Wald, theilten ihren Raub und riefen einander: — auf Wiedersehen!</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="2"> <head>II.</head> <p>Sechsunddreißig Jahre waren vergangen seitdem. Der Friede war wieder ins Land gekommen, Stürme anderer Art hatten dagegen sich eingestellt. Ueber der Versumpfung des Lebens in einem Nachbarlande hatten sich die Wetter ungezügelten Verlangens gesammelt und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0019]
Thür aufgehen — er hört einen Schlag — er hockt auf dem Ofen und sieht Nichts. —
Ein dumpfes Aechzen, danach ein Gepolter die Treppe herunter — und der gräßliche Vorgang über seinem Haupte hatte sich ihm vor die Seele gestellt.
Zitternd und bebend klettert und fällt er vom Ofen herunter, das Geld krampfhaft in der Schürze zusammengefaßt, eine ungeheure Schuld auf den Schultern. — Du hast das Geld? ruft ihm eine Stimme von der Hausflur entgegen.
Ich hab's, ist die Antwort.
In der Backstubenthür sieht er den Strohmer ein Etwas nach der Straße hinschleifen, er sieht ihn dies leblos erschlaffte, und dennoch wie rachefordernd vor seine Seele tretende Etwas über die vom Feuer der Stadt grell beschienenen Leichen hinwerfen und hört ihn rufen: Nun haben's die Russen gethan!
Danach entwichen sie Beide in den Wald, theilten ihren Raub und riefen einander: — auf Wiedersehen!
II. Sechsunddreißig Jahre waren vergangen seitdem. Der Friede war wieder ins Land gekommen, Stürme anderer Art hatten dagegen sich eingestellt. Ueber der Versumpfung des Lebens in einem Nachbarlande hatten sich die Wetter ungezügelten Verlangens gesammelt und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-14T16:05:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-14T16:05:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |