Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goldammer, Leo: Auf Wiedersehen! In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 157–185. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

und Gastzimmer, zuletzt in einen geräumigen, mit einer Gallerie versehenen Saal.

Alle diese Räumlichkeiten waren heut mit Menschen überfüllt und nicht enden wollender Beifall scholl alle Zimmer hindurch bis ins Freie hinaus, als eben jetzt ein Lieblingsredner der Versammlung die Frage vom Eigenthum mit mehr Heftigkeit als Gründlichkeit erörtert hatte. Triumphirenden Blicks verließ er die Rednerbühne und grüßte und schüttelte Hände links und rechts, als er sich plötzlich leise am Rock gezupft fühlte.

Er sah sich um, und der Kronleuchter des Saal's, welcher so eben angezündet worden war, leuchtete ihm auf einen zerlumpten Gesellen mit dünnen, grauen Haaren und eingefallenen Wangen.

Noch einmal Bravo! Deine Rede war mir aus der Seele gesprochen, Bruderherz! wisperte der unheimliche Alte und zwinkerte mit den Augen auf eine diesen vertraulichen Worten entsprechende Art.

Der von ihm angeredete, kräftig und wohlanständig aussehende Mann stand wie versteinert. Dichte, im Lauf der Jahre leise und behutsam über eine gewisse Erinnerung gelegte Schleier rissen jäh auseinander und ließen ihm das Bild einer That vor die Seele treten, einer That, daß es ihm vorkam, als spränge ihm das Leben vor Schreck aus allen seinen Gliedern.

Du freust dich, mich wiederzusehen! Bist keines Wortes mächtig vor Freude! -- Nun, komm heraus,

und Gastzimmer, zuletzt in einen geräumigen, mit einer Gallerie versehenen Saal.

Alle diese Räumlichkeiten waren heut mit Menschen überfüllt und nicht enden wollender Beifall scholl alle Zimmer hindurch bis ins Freie hinaus, als eben jetzt ein Lieblingsredner der Versammlung die Frage vom Eigenthum mit mehr Heftigkeit als Gründlichkeit erörtert hatte. Triumphirenden Blicks verließ er die Rednerbühne und grüßte und schüttelte Hände links und rechts, als er sich plötzlich leise am Rock gezupft fühlte.

Er sah sich um, und der Kronleuchter des Saal’s, welcher so eben angezündet worden war, leuchtete ihm auf einen zerlumpten Gesellen mit dünnen, grauen Haaren und eingefallenen Wangen.

Noch einmal Bravo! Deine Rede war mir aus der Seele gesprochen, Bruderherz! wisperte der unheimliche Alte und zwinkerte mit den Augen auf eine diesen vertraulichen Worten entsprechende Art.

Der von ihm angeredete, kräftig und wohlanständig aussehende Mann stand wie versteinert. Dichte, im Lauf der Jahre leise und behutsam über eine gewisse Erinnerung gelegte Schleier rissen jäh auseinander und ließen ihm das Bild einer That vor die Seele treten, einer That, daß es ihm vorkam, als spränge ihm das Leben vor Schreck aus allen seinen Gliedern.

Du freust dich, mich wiederzusehen! Bist keines Wortes mächtig vor Freude! — Nun, komm heraus,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0021"/>
und Gastzimmer, zuletzt in einen      geräumigen, mit einer Gallerie versehenen Saal.</p><lb/>
        <p>Alle diese Räumlichkeiten waren heut mit Menschen überfüllt und nicht enden wollender Beifall      scholl alle Zimmer hindurch bis ins Freie hinaus, als eben jetzt ein Lieblingsredner der      Versammlung die Frage vom <hi rendition="#g">Eigenthum</hi> mit mehr Heftigkeit als Gründlichkeit erörtert hatte.      Triumphirenden Blicks verließ er die Rednerbühne und grüßte und schüttelte Hände links und      rechts, als er sich plötzlich leise am Rock gezupft fühlte.</p><lb/>
        <p>Er sah sich um, und der Kronleuchter des Saal&#x2019;s, welcher so eben angezündet worden war,      leuchtete ihm auf einen zerlumpten Gesellen mit dünnen, grauen Haaren und eingefallenen      Wangen.</p><lb/>
        <p>Noch einmal Bravo! Deine Rede war mir aus der Seele gesprochen, Bruderherz! wisperte der      unheimliche Alte und zwinkerte mit den Augen auf eine diesen vertraulichen Worten entsprechende      Art.</p><lb/>
        <p>Der von ihm angeredete, kräftig und wohlanständig aussehende Mann stand wie versteinert.      Dichte, im Lauf der Jahre leise und behutsam über eine gewisse Erinnerung gelegte Schleier      rissen jäh auseinander und ließen ihm das Bild einer That vor die Seele treten, einer That, daß      es ihm vorkam, als spränge ihm das Leben vor Schreck aus allen seinen Gliedern.</p><lb/>
        <p>Du freust dich, mich wiederzusehen! Bist keines Wortes mächtig vor Freude! &#x2014; Nun, komm      heraus,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0021] und Gastzimmer, zuletzt in einen geräumigen, mit einer Gallerie versehenen Saal. Alle diese Räumlichkeiten waren heut mit Menschen überfüllt und nicht enden wollender Beifall scholl alle Zimmer hindurch bis ins Freie hinaus, als eben jetzt ein Lieblingsredner der Versammlung die Frage vom Eigenthum mit mehr Heftigkeit als Gründlichkeit erörtert hatte. Triumphirenden Blicks verließ er die Rednerbühne und grüßte und schüttelte Hände links und rechts, als er sich plötzlich leise am Rock gezupft fühlte. Er sah sich um, und der Kronleuchter des Saal’s, welcher so eben angezündet worden war, leuchtete ihm auf einen zerlumpten Gesellen mit dünnen, grauen Haaren und eingefallenen Wangen. Noch einmal Bravo! Deine Rede war mir aus der Seele gesprochen, Bruderherz! wisperte der unheimliche Alte und zwinkerte mit den Augen auf eine diesen vertraulichen Worten entsprechende Art. Der von ihm angeredete, kräftig und wohlanständig aussehende Mann stand wie versteinert. Dichte, im Lauf der Jahre leise und behutsam über eine gewisse Erinnerung gelegte Schleier rissen jäh auseinander und ließen ihm das Bild einer That vor die Seele treten, einer That, daß es ihm vorkam, als spränge ihm das Leben vor Schreck aus allen seinen Gliedern. Du freust dich, mich wiederzusehen! Bist keines Wortes mächtig vor Freude! — Nun, komm heraus,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T16:05:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T16:05:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goldammer_wiedersehen_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goldammer_wiedersehen_1910/21
Zitationshilfe: Goldammer, Leo: Auf Wiedersehen! In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 157–185. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goldammer_wiedersehen_1910/21>, abgerufen am 27.04.2024.