Goldschmidt, Henriette: Das Erziehungswerk Friedrich Fröbels. Eisenach, 1899.Wie anders als mit dem Gefühl demütigen Dankes, mit dem Gefühl Hochgeehrte Versammlung! Als ich unserer verehrten Fräul. Heerwart Jetzt aber in diesem Augenblicke ist es mir, als dürfte man sich mit Wir wollen aber dieses sein Werk seinem eigenen Gedanken gemäß Die beiden großen Mächte, innerhalb deren die Menschheit sich bewegt Wir haben aber noch einen andern Kampf zu bestehen, den Kampf Es giebt Zeiten in unserer Gesamtentwickelung, wo die Ausschreitungen Wie anders als mit dem Gefühl demütigen Dankes, mit dem Gefühl Hochgeehrte Versammlung! Als ich unserer verehrten Fräul. Heerwart Jetzt aber in diesem Augenblicke ist es mir, als dürfte man sich mit Wir wollen aber dieses sein Werk seinem eigenen Gedanken gemäß Die beiden großen Mächte, innerhalb deren die Menschheit sich bewegt Wir haben aber noch einen andern Kampf zu bestehen, den Kampf Es giebt Zeiten in unserer Gesamtentwickelung, wo die Ausschreitungen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0003" n="[3]"/> <p><hi rendition="#in">W</hi>ie anders als mit dem Gefühl demütigen Dankes, mit dem Gefühl<lb/> der <hi rendition="#g">Ehrfurcht</hi> könnte ich hier dieser Stätte mich nähern — hier zu sprechen<lb/> beginnen? Hier hat unser Lehrer und Meister <hi rendition="#g">Friedrich Fröbel</hi>, hier<lb/> sein begeisterter Jünger <hi rendition="#g">Middendorff</hi> gestanden, hier haben sie verkündigt,<lb/> was auch sie ein göttlicher Geist zu schauen gewürdigt. Ist es mir doch,<lb/> als vernehme ich das alte, heilige Bibelwort: „Ziehe deine Schuhe aus,<lb/> denn der Ort, auf dem du stehst, ist ein heiliger Ort.“ —</p><lb/> <p>Hochgeehrte Versammlung! Als ich unserer verehrten Fräul. Heerwart<lb/> zusagte, hier in Blankenburg einen Vortrag zu übernehmen, hatte ich<lb/> nur daran gedacht, den Mitarbeiterinnen am Fröbel'schen Erziehungswerke<lb/> meine Sympathie zu bekunden und auch mein Scherflein dazu beizutragen,<lb/> Fernerstehenden dasselbe näher zu bringen, Sympathie dafür zu erwecken.</p><lb/> <p>Jetzt aber in diesem Augenblicke ist es mir, als dürfte man sich mit<lb/> dem Ausdrucke des Dankes und der Verehrung genug sein lassen, wenn<lb/> nicht der Mann selber, dem wir huldigen, eine andere Art von Pietäts-<lb/> äußerung vorgezogen — ja gefordert hätte. Des Geistes einen Hauch<lb/> glaube ich zu spüren, der hier vor 60 Jahren bei Gelegenheit des Guttenberg-<lb/> Festes sich geltend machte: <hi rendition="#g">„Ist es genug, wenn wir Worte ver-<lb/> breiten?“</hi> Guttenberg selbst würde sagen: „Wandelt das Wort um in<lb/><hi rendition="#g">That!</hi>“ Was Fröbel damals Guttenberg in den Mund gelegt, er hat es<lb/> selbst vollbracht: <hi rendition="#g">Er wandelte das Wort um in That.</hi> Er hat uns<lb/> nicht nur <hi rendition="#g">Worte</hi> zurückgelassen, sondern <hi rendition="#g">Werke</hi>, und diesem seinem Werke<lb/> wollen wir uns zuwenden.</p><lb/> <p>Wir wollen aber dieses sein Werk seinem eigenen Gedanken gemäß<lb/> zu erkennen suchen im Zusammenhange mit unserer <hi rendition="#g">Gesamtentwicke-<lb/> lung</hi>, als Ausdruck einer <hi rendition="#g">Naturnotwendigkeit</hi> für unsere fortschreitende<lb/> Kultur. —</p><lb/> <p>Die beiden großen Mächte, innerhalb deren die Menschheit sich bewegt<lb/> und kämpft, habe ich damit bezeichnet. Seit der Mensch den Naturzustand<lb/> verlassen, den sichern Instinkt der Naturwesen verloren, befindet er sich in<lb/> einem steten Kampfe zwischen den Forderungen seines geistig-sittlichen We-<lb/> sens und den Bedingungen des Seins als „Erdner“, wie Fröbel es so be-<lb/> zeichnend ausdrückt.</p><lb/> <p>Wir haben aber noch einen andern Kampf zu bestehen, den Kampf<lb/> mit den Irrtümern und Ausschreitungen der Kultur, mit Hyperkultur<lb/> und Unnatur. Ist der Kampf zwischen dem geistig-sittlichen Wesen des<lb/> Menschen mit den Forderungen seiner sinnlichen Natur mehr subjektiver<lb/> Art, bezieht er sich auf den Menschen als „Persönlichkeit“ — so ist der<lb/> Kampf gegen Hyperkultur ein Kampf gegen Zustände, Verhältnisse, wie sie<lb/> im staatlichen, gesellschaftlichen Leben zur Erscheinung kommen, und die<lb/> Schiller „die große Schuld der Zeiten“ nennt.</p><lb/> <p>Es giebt Zeiten in unserer Gesamtentwickelung, wo die Ausschreitungen<lb/> der Kultur „die Hyperkultur“ so groß, so unerträglich wird, daß wir sie<lb/> mit dem Worte „Unnatur“ bezeichnen. Bekanntlich ist der Mensch ja das<lb/> einzige Wesen, das in Unnatur verfallen kann.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [[3]/0003]
Wie anders als mit dem Gefühl demütigen Dankes, mit dem Gefühl
der Ehrfurcht könnte ich hier dieser Stätte mich nähern — hier zu sprechen
beginnen? Hier hat unser Lehrer und Meister Friedrich Fröbel, hier
sein begeisterter Jünger Middendorff gestanden, hier haben sie verkündigt,
was auch sie ein göttlicher Geist zu schauen gewürdigt. Ist es mir doch,
als vernehme ich das alte, heilige Bibelwort: „Ziehe deine Schuhe aus,
denn der Ort, auf dem du stehst, ist ein heiliger Ort.“ —
Hochgeehrte Versammlung! Als ich unserer verehrten Fräul. Heerwart
zusagte, hier in Blankenburg einen Vortrag zu übernehmen, hatte ich
nur daran gedacht, den Mitarbeiterinnen am Fröbel'schen Erziehungswerke
meine Sympathie zu bekunden und auch mein Scherflein dazu beizutragen,
Fernerstehenden dasselbe näher zu bringen, Sympathie dafür zu erwecken.
Jetzt aber in diesem Augenblicke ist es mir, als dürfte man sich mit
dem Ausdrucke des Dankes und der Verehrung genug sein lassen, wenn
nicht der Mann selber, dem wir huldigen, eine andere Art von Pietäts-
äußerung vorgezogen — ja gefordert hätte. Des Geistes einen Hauch
glaube ich zu spüren, der hier vor 60 Jahren bei Gelegenheit des Guttenberg-
Festes sich geltend machte: „Ist es genug, wenn wir Worte ver-
breiten?“ Guttenberg selbst würde sagen: „Wandelt das Wort um in
That!“ Was Fröbel damals Guttenberg in den Mund gelegt, er hat es
selbst vollbracht: Er wandelte das Wort um in That. Er hat uns
nicht nur Worte zurückgelassen, sondern Werke, und diesem seinem Werke
wollen wir uns zuwenden.
Wir wollen aber dieses sein Werk seinem eigenen Gedanken gemäß
zu erkennen suchen im Zusammenhange mit unserer Gesamtentwicke-
lung, als Ausdruck einer Naturnotwendigkeit für unsere fortschreitende
Kultur. —
Die beiden großen Mächte, innerhalb deren die Menschheit sich bewegt
und kämpft, habe ich damit bezeichnet. Seit der Mensch den Naturzustand
verlassen, den sichern Instinkt der Naturwesen verloren, befindet er sich in
einem steten Kampfe zwischen den Forderungen seines geistig-sittlichen We-
sens und den Bedingungen des Seins als „Erdner“, wie Fröbel es so be-
zeichnend ausdrückt.
Wir haben aber noch einen andern Kampf zu bestehen, den Kampf
mit den Irrtümern und Ausschreitungen der Kultur, mit Hyperkultur
und Unnatur. Ist der Kampf zwischen dem geistig-sittlichen Wesen des
Menschen mit den Forderungen seiner sinnlichen Natur mehr subjektiver
Art, bezieht er sich auf den Menschen als „Persönlichkeit“ — so ist der
Kampf gegen Hyperkultur ein Kampf gegen Zustände, Verhältnisse, wie sie
im staatlichen, gesellschaftlichen Leben zur Erscheinung kommen, und die
Schiller „die große Schuld der Zeiten“ nennt.
Es giebt Zeiten in unserer Gesamtentwickelung, wo die Ausschreitungen
der Kultur „die Hyperkultur“ so groß, so unerträglich wird, daß wir sie
mit dem Worte „Unnatur“ bezeichnen. Bekanntlich ist der Mensch ja das
einzige Wesen, das in Unnatur verfallen kann.
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